Plädoyer für die Würde des Menschen

Kultur / 22.05.2020 • 17:59 Uhr
Keiner von EuchFelix Mitterer,Haymon,344 Seiten

Keiner von Euch

Felix Mitterer,

Haymon,

344 Seiten

Spannender erster Roman von Felix Mitterer.

Roman Auf neue Pfade begeben hat sich Felix Mitterer mit seinem Werk „Keiner von Euch“, denn nach vielen dramatischen Arbeiten handelt es sich dabei um seinen ersten Roman. Treu geblieben ist der Tiroler seiner Dialogstärke und seiner Vorliebe für Außenseiterfiguren. Als Vorlage diente ihm Angelo Soliman, der im Wien des 18. Jahrhunderts zum Kammerdiener aufstieg, aber nach seinem Tod ausgestopft wurde. Die Figur des Angelo Soliman, der vermutlich Mmadi Maké hieß, und sein grausames Ende als Schaustück im kaiserlichen Naturalienkabinett samt Speer und Federgürtel inspirierte bereits mehrere Kunstschaffende. Sein Leben als einer der ersten dunkelhäutigen Menschen im Europa jener Zeit ist durchaus gut dokumentiert, doch Mitterer nahm sich nach eingehender Recherche viel künstlerische Freiheit, um eine ganz eigene Geschichte zu erzählen: 1759 erhält die kleine Adelige Clara in Sizilien zum Geburtstag den ersehnten „kleinen Mohren“ geschenkt. Der verschreckte Bub, in Afrika geraubt, bekommt einen neuen Namen, wird in eine orientalische Tracht gesteckt, getauft und schließlich von Claras Mutter an den nach Wien abreisenden Fürst Thurnstein, einen Freund der Familie mit einer Vorliebe für Knaben, verschenkt.

Als Erwachsene begegnen sie einander wieder: Die willensstarke Clara, nun in einer enttäuschenden Ehe mit dem Fürsten gefangen, und Angelo als dessen nach Freiheit strebender Diener, Ingenieur und Soldat. Maké verkehrt mit Kaiser Joseph II., mit Wolfgang Amadeus Mozart und Geistesgrößen seiner Zeit, er wird Freimaurer. Ihm schlägt Bewunderung für sein Schachspiel und seine aufklärerische Gesinnung entgegen, aber er muss auch in einer unfreien, kolonialistischen und rassistischen Gesellschaft als „Spielzeug für die reichen Damen“ dienen, wird als „schwarzer Teufel“ angefeindet und bleibt Außenseiter. Maké wird als „Bilderbuchmohr“ des Kaisers zum Symbol der Aufklärung und gerät darum bald in Gefahr, zumal er sich erdreistet, als Schwarzer eine weiße Frau zu heiraten.

Ein Brückenbauer

Die Idee der Aufklärer von der Gleichheit der Menschen und der Versuch ihrer Umsetzung unter Joseph II. prallen in dem Roman auf die verrottende „gottgegebene Ordnung“, vertreten von Adel und Kirche. Die Welt ist im Umbruch: Die Leibeigenschaft endet, das Staatswesen wird erneuert. Doch das Volk weiß seine Befreiung nicht zu schätzen und nach Josephs Tod schlagen die alten Kräfte zurück. Maké sucht in all diesen Kämpfen nach seinem Platz in der Welt. Er ist als Brückenbauer charakterisiert, als in mehrerer Hinsicht Vielsprachiger und als idealer, edler Mensch. Makés zentraler Gegenspieler ist der intrigante Professor Hoffmann, der einer kruden Rassentheorie anhängt und die aufklärerischen Ideen pervertiert.

Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, neben Maké und Hoffmann kommen Clara Soliman und Tochter Josephine zu Wort. Mitterers spannender historischer Roman ist ein humanistisches Plädoyer für die Würde des Menschen. Das Buch ist dabei aber nicht kopflastig, sondern unterhaltsam und liest sich leicht, stellenweise wie ein Thriller.