Mit viel Gesang gegen die Krise

Wie die engagierte Sopransolistin Birgit Plankel für sich die Auswirkungen der Pandemie bewältigte.
Bildstein Ihre Bühne ist im Moment die freie Natur, wo sie mit den Vögeln um die Wette singt. Die viel beschäftigte Sängerin, Chorleiterin und Pädagogin Birgit Plankel ist auch durch eine Coronakrise nicht aus der Ruhe zu bringen, denn sie vertraut auf die Musik, den Gesang und auf Gott, die ihr über alle Unbilden und Unwägbarkeiten dieser Zeit hinweghelfen.
Wie haben Sie die letzten drei Monate ganz ohne Engagements verbracht?
Im ersten Moment war ich natürlich wie alle geschockt über die Plötzlichkeit, mit der diese Situation über uns hereingebrochen ist. Und niemand wusste genau Bescheid. Im März sollte ich mehrere Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer und Chorleiter in der Schweiz, in Tirol und Vorarlberg leiten. Im Konzertbereich betraf es die gesamte Passions- und Osterzeit mit wunderschönen Auftritten, ein Basilikakonzert mit dem Ensemble „L’Estate musicale“, Auftritte mit Renate Bauer und das Jubiläumskonzert des Blockflötenensembles „La Rocaille“. Auch das geplante Benefizkonzert für die Aktion „Geben für Leben“ mit meinem Bildsteiner Chor musste verschoben werden. Besonders leidgetan hat mir der Entfall unseres Jubiläumskonzertes zum zehnjährigen Bestehen des Landeskinderchores, das nun am 18. April 2021 stattfinden wird.
Haben Sie für sich zuhause im stillen Kämmerlein gesungen?
Nein, da war ich zunächst einmal wie gelähmt und hatte keine Lust dazu. Dafür habe ich das ganze Haus aufgeräumt und mich damit abgelenkt. Doch dann kam die Verantwortung für meine Schüler mit dem virtuellen Gesangsunterricht, von dem ich ehrlich gesagt nicht viel halte. Aber wir haben einfach Kontakt gehalten, viel miteinander telefoniert, Aufnahmen und Noten ausgetauscht. So bald als möglich sollen diese Stunden real nachgeholt werden.
Für die Gruppe Ihrer Kleinsten von vier bis neun Jahren in Bildstein haben Sie eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet mit „Birgits Bewegungsliedern“?
Ja, ich habe ihnen per Video etwa ein Dutzend einfacher Kinderlieder vorgesungen, gespielt und vorgetanzt und ihnen damit quasi „die Chorprobe ins Haus geschickt“. Da gab es sehr viele begeisterte Rückmeldungen von den Eltern, die die Kinder zuhause mit dem Lernen und Nachsingen dieser Lieder einfach sinnvoll und ohne Fernsehen beschäftigt wussten.
Als persönliche Aufgabe hatten Sie auch Ihre Mutter zu betreuen, die mit ihren 92 Jahren zur Risikogruppe gehört. Hat sie diese Zeit gut überstanden?
Es geht ihr für ihr Alter sehr gut, aber sie erhält eine tägliche Betreuung durch eine Freundin von uns und natürlich durch die Familie. Meine Mami hat sich bis ins hohe Alter auch ihren Humor und ihre Lebensfreude bewahrt, sie meint etwa „Nach Bildstein hinauf kommt dieses Virus sicher nicht!“ oder auf gut Vorarlbergerisch „Z’Tod gfürcht‘ isch ou g‘schtorba“.
Haben Sie auch diese neue Stille wahrgenommen – kaum Autos und kein Flugverkehr mehr?
Ich bin sowieso ein Naturmensch und habe das unglaublich genossen. Jeden Tag bin ich bei jedem Wetter um sieben Uhr früh aus dem Haus und habe ganze Vogelkonzerte auf mein Handy aufgenommen. Der Himmel über Bildstein war ohne Flugzeuge von einem Blau, wie man es selten erlebt hat. Inzwischen ist fast wieder alles beim Alten – leider! Dabei waren die Grenzen bis jetzt zu, was ich schmerzhaft spüre, denn ich konnte seit Anfang März meine in London lebende Tochter und ihre junge Familie nicht mehr in die Arme schließen.
Sie sind ein spontaner, herzlicher Mensch. Wie schwer ist Ihnen die wegen Corona angeordnete soziale Distanz gefallen?
Ich habe mir natürlich deswegen schwergetan, weil ich einen total liebevollen Freundeskreis habe. Aber die Vernunft hat gesiegt, das geht jetzt einfach nicht.
Sie wohnen ja auch auf der Höhe von Bildstein mit der umgebauten Basilika, für die Sie sich sehr eingesetzt haben, und sind damit dem Himmel etwas näher als andere Leute?
Als christlicher Mensch spürt man solche Dinge dort, wo ich wohne, umso intensiver. Jeden Tag, wenn ich aufstehe, sage ich einfach „Danke, lieber Gott, dass ich hier leben darf.“
Drei Wochen nach dem Lockdown durfte man mit fünf Leuten wieder in der Kirche feiern, da haben Sie sich für die musikalische Gestaltung der Liturgie in Bildstein engagiert?
Ja, unser Pfarrer Paul Burtscher hat mich gefragt, und so habe ich ab Gründonnerstag alle Messen in der Karwoche einfach solo gesungen, die Psalmen und Verse der Liturgie, das hatte so eine besondere Stimmung. Später habe ich dann mit kleinen Gruppen von zwei oder drei meiner Schüler aus der Musikschule Bregenzerwald in Bildstein zahlreiche Maiandachten musikalisch gestaltet, natürlich unter Beachtung der geltenden Abstandsregeln.
Sie schenken Ihrer Kirche auch jährlich an Allerseelen mit Gleichgesinnten eine Aufführung des Mozart-Requiems. Was hat dieses Werk, dass man davon immer wieder ergriffen wird?
Ich habe die Sopranpartie in diesem Werk erstmals 1989 gesungen, und wenn der erste d-Moll-Akkord erklingt, ist es, als ob einen diese Musik ganz tief im Innern durchdringt. Und dieser Eindruck hält das ganze Werk über an – das ist einfach Musik für die Ewigkeit
Man hört oft Leute sagen: Wie kann Gott die Menschheit mit einer solchen Pandemie strafen? Ist der „liebe Gott“ für Sie noch immer ein lieber Gott?
Meiner Meinung nach ist der „liebe Gott“ nicht dafür verantwortlich, was hier passiert. Das liegt an den Menschen, die zu viel in ihrem Lebensbereich selber kaputtmachen. Wenn ich etwas abschaffen könnte auf der Welt, wäre das die Gier des Menschen nach immer mehr, immer höher, immer größer. Und dafür ist nicht der liebe Gott verantwortlich. Zufriedenheit, Dankbarkeit, Achtsamkeit und Nächstenliebe muss der Mensch schon selbst leben. Fritz Jurmann
Zur Person
Birgit Plankel
Geboren 1960 in Bregenz, wohnhaft in Bildstein
Ausbildung Handelsakademie, Pädagogische Akademie, Landeskonservatorium, Musikhochschule Wien
Tätigkeit international tätig als Sängerin und Dozentin bei Kursen, als Jurorin bei Wettbewerben, Unterrichtstätigkeit an Volksschule, Mittelschule, Musisches Gymnasium, Pädagogische Hochschule, seit 1999 Leiterin des Bildsteiner Erwachsenenchors, Kinder- und Jugendchor, seit 2010 Leiterin des Vorarlberger Landeskinderchors
Familie verheiratet, eine Tochter, zwei Enkelkinder