Von Muntlix hinaus in die große Opernwelt

Kultur / 12.06.2020 • 18:16 Uhr
Martin Summer mit Veronika Dünser beim dreitägigen Liederfestival 2019 in seiner Heimatgemeinde Muntlix. JU
Martin Summer mit Veronika Dünser beim dreitägigen Liederfestival 2019 in seiner Heimatgemeinde Muntlix. JU

Die Karriere führte den Bassisten Martin Summer über Mailand und St. Gallen an die Staatsoper Hamburg.

Zwischenwasser Der Weg von seinem Heimatdorf Muntlix in die Weltstadt Hamburg ist Bestätigung dafür, dass Martin Summer sich bereits höhere Weihen als Bassist ersungen hat. Seit Herbst ist Summer Ensemblemitglied der Staatsoper Hamburg, wo ihn bisher nur die Coronakrise von weiteren Bühnenpartien seines Fachs abhalten konnte.

 

Wie kommt man als junger Sänger an eine Bühne, die heute zu den führenden Opernhäusern zählt?

SUMMER Im Idealfall wird vor dem Vorsingen der Boden durch eine Agentur bereitet. Der Druck, sich in diesen zehn Minuten gut zu präsentieren, ist dann natürlich sehr hoch!

 

Und beim ersten Bühnenauftritt – gab es da ein bisschen Lampenfieber?

SUMMER Ja, da ist schon eine gewisse Anspannung dabei. Gestartet bin ich mit kleineren Bass-Partien in „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss und „Nabucco“ von Giuseppe Verdi. Die größte Herausforderung für mich war bisher die Uraufführung der Oper „Ichundich“ von Johannes Harneit nach einem Text von Else Lasker-Schüler. Spannend war die enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten, der die Vorstellung geleitet hat.

 

Und dann kam das Virus.

SUMMER Ja, leider. Ich hätte als König Titurel im „Parsifal“ meine erste Wagner-Partie singen sollen und als Monterone in Verdis „Rigoletto“ einen kurzen, aber anspruchsvollen Auftritt gehabt. Aber ich will mich nicht beklagen. Durch mein fixes Gehalt an der Staatsoper bin ich auch in Krisenzeiten abgesichert, was bei vielen Kollegen leider nicht der Fall ist.

 

Sie haben ja im Vorjahr das Stipendium des Wagner-Verbandes erhalten und konnten in Bayreuth drei Opernaufführungen besuchen.

SUMMER Das hat mich unglaublich beeindruckt, und ich habe mich daraufhin intensiv mit dieser Klangwelt auseinandergesetzt. König Marke und Gurnemanz sind Wunschrollen, aber natürlich kommen davor noch kleinere Partien. Meine Stimme entwickelt sich merklich in Richtung Wagnerfach, und ich freue mich, wenn ich das – zwar (noch) nicht in Bayreuth – aber hier in Hamburg beweisen darf.

 

Wie haben Sie denn überhaupt die Coronazeit überstanden?

SUMMER Sie war für mich frustrierend, weil eine Absage nach der anderen für meine geplanten Liederabende im Frühjahr eingetroffen ist. Auch das kleine bereits ausverkaufte Liederfestival in meiner Heimatgemeinde Muntlix musste abgesagt werden. Irgendwann war ich so genervt, dass ich begonnen habe, große Rollen zu studieren, die ich in absehbarer Zeit sicher noch nicht singen werde.

 

Wir möchten gerne etwas über Ihre Wurzeln erfahren?

SUMMER Mein Vater leitet einen Kirchenchor und spielt Orgel, mich zog es zuerst zur Gitarre als Liedbegleitungsinstrument, dann zu einer Rockband, und schließlich dirigierte ich den Magnus-Chor in Röns. Bei einem SOV-Konzert hatte mich der Klang des Kontrabasses so beeindruckt, dass ich am Konservatorium ein Bachelorstudium im Fach Kontrabass absolvierte.

 

Und vom tiefen Instrument zum tiefen Stimmfach war es dann kein weiter Weg mehr?

SUMMER Ja, da gab es viel Verbindendes, und ich habe damals entdeckt, wo meine Berufung wirklich liegt, die ich zuvor schon im Kinderchor der Musikschule Rankweil, beim Kammerchor Feldkirch und bei Vocale Neuburg ausprobiert hatte. Mit der Oper hatte ich noch nichts am Hut – diese Welt eröffnete sich mir erst durch das Mitsingen im Bregenzer Festspielchor, wo ich erleben durfte, wie Oper funktioniert. Ich war hingerissen.

 

2015 wurden Sie bei einem Vorsingen an der Akademie der Mailänder Scala vom Fleck weg als Sarastro engagiert. Von da an gab es wohl keine Zweifel mehr?

SUMMER Es war eine anstrengende, aber äußerst lehrreiche und ergiebige Zeit, an die ich gerne zurückdenke. Nicht nur von der Sprache, sondern auch von der Stimmbehandlung in Italien habe ich sehr profitiert.

 

So wie andere morgens um acht ins Büro gehen, beginnen Sie täglich fünf Stunden zu singen?

SUMMER Nein, so geht das nicht. Ein Sportler macht ja auch nicht fünf Stunden am Tag Liegestütze. Ich absolviere mein tägliches Technikprogramm mit der Stimme, etwa 40 Minuten lang. Daran muss man konsequent arbeiten, denn ohne gute Höhe bleibt von der Tiefe nichts übrig. Dann wird Repertoire studiert, Musik und Texte werden für die Bühne auswendig gelernt.

 

Die Bässe spielen immer so würdige Rollen, alte Könige oder Priester. Wäre Ihnen das Tenorfach des strahlenden Helden nicht lieber?

SUMMER Nein, denn das Bass-Dasein auf der Bühne kommt meiner Persönlichkeit ganz gut entgegen, das Gesetzte in der Mentalität, der Statur. Und man kann mich auch recht gut auf alt schminken.

 

Wie wichtig ist Ihnen der Liedgesang?

SUMMER Ich wollte Lied und Konzertgesang zunächst zu meiner Haupttätigkeit machen. Auch heute ist das Lied für mich wichtig. Bereits während meines Engagements in St. Gallen habe ich immer wieder Liederabende gegeben und im Vorjahr bei der Schubertiade Hohenems debütiert. Das ist eine der ersten Adressen im Liedgesang, da bin ich stolz drauf.

 

Wie geht es weiter?

SUMMER Wenn sich hoffentlich alles wieder normalisiert hat, werde ich in Hamburg im Dezember als Sarastro in der „Zauberflöte“ und im April als Eremit im „Freischütz“ auf der Bühne stehen. Im Oktober werde ich in Bregenz ein Stipendiatenkonzert singen und in Götzis den Osmin in Mozarts „Entführung aus dem Serail“.

„Man muss konsequent arbeiten, denn ohne gute Höhe bleibt von der Tiefe nichts übrig.“

Zur Person

MARTIN SUMMER

GEBOREN 1988 in Feldkirch

AUSBILDUNG Studium Kontrabass, Gesangsstudium in Graz bei Claudia Rüggeberg mit Master-Abschluss

TÄTIGKEIT Basssolist im Opernfach und im Lied- und Oratorienbereich, ab 2015 an der Accademia Teatro alla Scala in Mailand, 2017 bis 2019 festes Engagement am Theater St. Gallen, seit 2019 an der Staatsoper Hamburg