“Der Ausgleich findet auf dieser Welt statt”

Kultur / 26.06.2020 • 18:42 Uhr
Der Organist und Musikpädagoge Bruno Oberhammer hat aktuell gleich drei Jubiläen zu feiern. JU
Der Organist und Musikpädagoge Bruno Oberhammer hat aktuell gleich drei Jubiläen zu feiern. JU

Die Coronakrise konnte den Naturliebhaber nicht überraschen.

HÖCHST Auch wenn ihm Covid19 Sorge bereitet, lässt sich der Organist und Musikwissenschaftler Bruno Oberhammer die Freude über seine drei Jubiläen nicht vergällen. Seit 40 Jahren betreut er die Orgelkonzertreihe in Hittisau, seit 50 Jahren jene in Bludesch, seit 60 Jahren spielt er Sonntag und Werktag die Orgel in Höchst – um Gotteslohn.

 

Wie sind Sie mit der Coronakrise umgegangen?

OBERHAMMER Nachdenklich. Ich dachte öfters an die Bergpredigt und die Sieben Todsünden der modernen Gesellschaft von Mahatma Gandhi. Wenn man so will, sind das die „Betriebsanleitungen“ für die Menschheit. Wenn man sie beachten und umsetzen würde, dann hätten wir keine Coronakrise und wohl auch keine anderen.

 

Als naturwissenschaftlich interessierter und naturverbundener Mensch haben Sie also schon länger geahnt, dass die Natur einmal zurückschlagen würde?

OBERHAMMER Ja, ganz gewiss. Ich erinnere mich an den verstorbenen Fluher Pfarrer Meinrad Mittelberger, der mir als jungem Menschen einmal gesagt hat: „Das musst Du Dir gut merken: Der Ausgleich findet hier auf dieser Welt statt!“ Damit ist eigentlich alles gesagt.

 

Zu Ihren drei Jubiläen: 1970 stellten Sie die historische Bludescher Bergöntzle-Orgel ins Zentrum einer Konzertreihe, die sich über 50 Jahre erhalten hat.

OBERHAMMER Wir wollten die unglaubliche Vielfalt der Orgelmusik zeigen. Dazu gruppierten wir Sakralmusik ab der Gregorianik bis zu neuesten Werken in spiritueller Ausrichtung und vergaben Aufträge an Komponisten unseres Landes.

 

Sie haben jetzt auch nachgewiesen, dass die „Bergöntzle-Orgel“ einen anderen Erbauer hat?

OBERHAMMER Der Elsässer Orgelbauer Joseph Bergöntzle (1754 –1819) war vermutlich nur der Transporteur, der das Instrument um 1800 auf dem Karrenweg in die kleine Walgaugemeinde gebracht und es dort installiert hat. Nach intensiven Forschungen glaube ich, dass diese Orgel, die heute zu den bedeutendsten historischen Instrumenten im Bodenseeraum gehört, in der berühmten Schule des Elsässischen Orgelbaumeisters Andreas Silbermann entstanden ist. Ergo wird man in Zukunft von einer Silbermann-Bergöntzle-Orgel sprechen müssen.

 

Vor 40 Jahren haben Sie an der romantischen Schönach-Orgel in Hittisau ein jährliches Sommerkonzert initiiert.

OBERHAMMER Der Tiroler Alois Schönach baute damals in der Region über 20 Orgeln, doch fast alle wurden im Laufe der Zeit im Zuge von Reparaturen umgestaltet oder entfernt. Nur die 1868 erbaute Orgel von Hittisau spiegelt heute mit ihrem weichen, romantisch dunklen Klang als einzige originalgetreu die Ideen und den Geist ihres Schöpfers.

 

Johann Sebastian Bach ist quasi Ihr musikalischer Übervater, der Ihnen die Richtung vorgegeben hat. Wie ist diese Lebensliebe entstanden?

OBERHAMMER Ich war bestimmt nicht der fleißigste Klavierschüler, bis mir mein verehrter erster Klavierlehrer Aldo Kremmel die kleinen Bach’schen Klavierpräludien zum Üben aufgab. Da hab ich Feuer gefangen, bis heute.

 

Zwischen 2009 und 2013 haben Sie an der Rieger-Orgel Ihrer Heimatgemeinde Höchst in 19 Konzerten das komplette Orgelwerk Bachs von ca. 30 Stunden aufgeführt – ein unglaubliches Mammutunternehmen?

OBERHAMMER Es gibt wenige internationale Organisten, die dieses Wagnis unternommen haben, für das man in einem gewissen Alter die notwendige menschliche, geistige und musikalische Reife erlangt haben sollte. Dabei sind die geistigen Anforderungen am größten. Ohne Selbstorganisation geht da gar nichts, denn das bedeutet intensive Auseinandersetzung mit dieser komplexen Musik über all die Jahre. Ich habe dadurch auch einen anderen Zugang zu Bach erlangt, diesem „Mount Everest“ in der Musik, den keiner umgehen kann, und ein geschärftes Profil im Denken.

 

In Höchst spielen Sie seit 60 Jahren ehrenamtlich die Orgel im Gottesdienst. Kann man diesen Einsatz auch in Geld beziffern?

OBERHAMMER Schwerlich. Kann man Ethos in Moneten ummünzen?

 

Neben Günther Fetz sind Sie im Moment der zweitälteste aktive Konzertorganist im Land. Ist ein Ende Ihrer Tätigkeit absehbar?

OBERHAMMER Das weiß Gott allein! JU

Zur Person

BRUNO OBERHAMMER

GEBOREN 1946 in Gaißau

AUSBILDUNG Studium in Klavier, Orgel, Komposition, Geschichte, Philosophie/Psychologie und Musikwissenschaft in Österreich, der Schweiz und Deutschland

TÄTIGKEIT Professor für Orgel, Tonsatz und Kulturwissenschaft an mehreren Hochschulen; international tätig als Orgelvirtuose und Improvisator; Kompositionen

FAMILIE verheiratet, zwei Söhne

5. Juli, 17 Uhr, Pfarrkirche Hittisau: Vokal- und Orgelmusik (Oberhammer); 12. Juli, 17 Uhr, St. Jakobskirche Bludesch: Eröffnungskonzert (Renate Bauer, Bianca Riesner)