Theater trotz allem

Kultur / 26.06.2020 • 18:40 Uhr
Maria Fliri hat ihre Position eingenommen.
Maria Fliri hat ihre Position eingenommen.

Gemeinschaftsprojekt “Schauspiel ohne Grund” setzte ein starkes Zeichen.

Lustenau Die Kultur und das Theater hatten es in den vergangenen Monaten und haben es noch immer mehr als schwer. Mit der theatralen Intervention „Schauspiel ohne Grund“ – ein Gemeinschaftsprojekt von Caravan – mobile Kulturprojekte, dem Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung und dem walktanztheater.com hat das Theater ein starkes Zeichen gesetzt: Egal was kommt, Theater wird bleiben, wird einen Weg finden und seine Bedeutung unterstreichen.

Das Spiel kann beginnen

Fast unbemerkt treten die fünf Darsteller Maria Fliri, Anwar Kashlan, Nico Raschner, Maria Strauss und Brigitte Walk aus dem Freudenhaus hervor und suchen sich ihren Sockel in der Wiese, um Position einzunehmen. Das Spiel kann beginnen. Die fünf Schauspieler – alle in schwarze Anzüge gekleidet – beginnen mit ihren Monolog-Marathons, jeder trägt vier bedeutende Monologe aus der Weltliteratur in einer Mehrfachschleife vor. Von Aischylos’ „Die Perser“ bis zu Shakespeares „Wie es euch gefällt“. Das Publikum nähert sich anfangs zögerlich, ist noch unsicher, weiß nicht genau, welchem Sockel, welchem Schauspieler es sich zuerst zuwenden soll. Ähnlich einer Ausstellung, in der man nicht weiß, welches Kunstwerk zuerst betrachtet werden soll. Das anfängliche Zögern schwindet und man traut sich dem Theater (wieder) zu nähern.

In den vergangenen Monaten stand das Theater auf keinem Podest. Im Gegenteil, fast begraben wurde die Kultur. Fast wurde das Theater zum Museumsstück. Etwas Wertvolles, das zur Betrachtung ausgestellt wird, aber nicht mehr Teil des tatsächlichen Lebens ist.

Podeste als Bühnen

Das „Schauspiel ohne Grund“ zeigt, dass sich Theater nicht ins Museum stellen lässt. Und auch wenn es dorthin getragen wird, wird es sich behaupten. So verwandeln die fünf Darsteller ihre kleinen Podeste – die mitten in der grünen Wiese zwischen Freudenhaus, McDonald’s und stark befahrener Straße stehen – zu großen Bühnen. Sie tänzeln, posieren, kämpfen, leiden, zweifeln, hadern, wüten und trauern auf den weißen Podesten. Maria Fliri, Anwar Kashlan, Nico Raschner, Maria Strauss und Brigitte Walk schaffen auf beeindruckende Art für ihre Figuren Raum, wo eigentlich keiner ist.

Wer gehört werden will, stellt sich auf ein Podest wie in der Speaker’s Corner im Londoner Hyde Park. Wer gehört und wahrgenommen werden will, muss in unserer Welt aber nach wie vor auch Anzug tragen. So stehen die Darsteller in schwarzen Anzügen auf ihren Podesten und verschaffen ihren Figuren gehörig Gehör und buhlen gleichzeitig um die Aufmerksamkeit des Publikums. Eine Höchstleistung seitens der Darsteller. Ein neues, spannendes Erlebnis für das Publikum – während hier Hamlet zum Totenkopf spricht, hört das eine Ohr Richard III. und das andere Johanna von Orleans. Die einzelnen Monologe, auch wenn die End- und Anfangspunkte durch kleine Gesten, Haltungsänderungen und Pausen markiert sind, verschmelzen miteinander. Das Publikum kann sich von Monolog zu Monolog treiben, beeindrucken und zum Nachdenken verführen lassen. Denn die Monologe tragen allesamt universale Wahrheiten in sich.

Theater wird sein

Fast so unspektakulär wie die Intervention begonnen hat, hört sie auch auf. Die letzte Monologschleife ist gesprochen, die Darsteller steigen von den Podesten und ziehen sich zurück. Das Gefühl des Nicht-genug-Seins, des Mehr-davon-haben-Wollens bleibt.

Das Ensemble hat es unter der Regie von Stephan Kasimir geschafft, zu zeigen, dass die Welt ohne Theater, Kultur und Literatur nicht funktionieren kann. Und auch wenn versucht wird es in die Marginalität zu verdrängen, Theater wird trotz allem und kann überall sein.

Nico Raschner auf seinem Podest.
Nico Raschner auf seinem Podest.
Die fünf Schauspieler, darunter Anwar Kashlan, trugen bedeutende Monologe aus der Weltliteratur in einer Mehrfachschleife vor. VN/Paulitsch
Die fünf Schauspieler, darunter Anwar Kashlan, trugen bedeutende Monologe aus der Weltliteratur in einer Mehrfachschleife vor. VN/Paulitsch

Weitere Termine: Sa., 27. 6., Dornbirn, Inatura, 17 und 19 Uhr; So. 28. 6., Bregenz, Symphonikerplatz, 15 und 17 Uhr