Benjamin Lack: “Bei Lockerungen stand Kultur an allerletzter Stelle”

Mit dem Orchester des Vorarlberger Landeskonservatoriums setzt Benjamin Lack ein gut hörbares Zeichen.
FELDKIRCH Kaum jemand im Kulturbereich dürfte so perfekt organisiert sein wie Benjamin Lack. Seine Aufgaben zwischen Konservatorium, Domchor, Kammerchor Feldkirch und Bregenzer Festspielchor laufen ab wie am Schnürchen, dank umsichtigen Timinga. Nun hat er auch das durch Corona gefährdete Festkonzert als Sommermatinee vor der Absage gerettet.
Als erste höhere Musiklehranstalt im Bodenseeraum preschen Sie mutig mit einem Neustart des Konzertbetriebs vor. Mit welchem Risiko?
Die Leitung des Konservatoriums hat sich das natürlich sehr gut überlegt. Aber auch unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen bleibt ein gewisses Risiko: Wenn nur einer unserer Musiker positiv auf Corona getestet wird, muss das gesamte Orchester in Quarantäne.
Warum machen Sie es trotzdem?
Es waren schon gemischte Gefühle, denn als höhere Lehranstalt mit dem Land als Träger müssen wir einfach sehr sensibel sein in diesen Dingen. Aber wir sind als Kulturschaffende jetzt auch aufgefordert, unter den geltenden Auflagen kreativ zu sein. Das sind wir auch unserem Publikum, das endlich wieder Livemusik hören will, und den Studenten schuldig. So haben wir mit viel Elan und Herzblut diese Möglichkeit realisiert, um zu zeigen, was unter diesen Umständen möglich ist: Eine Matinee mit 70 Minuten Programm ohne Pause und mit einem Kammerorchester anstelle des Sinfonieorchesters.
Wie sieht das im Detail aus?
Wir waren uns schnell darüber einig, dass wir es dem Publikum nicht zumuten möchten, eine Maske zu tragen. Dadurch ergeben sich die Abstandsregelungen von einem Meter, was zur Folge hat, dass in dem über 400 Personen fassenden Festsaal gerade 106 Besucher Platz haben. Für die Musiker gilt ebenfalls die Ein-Meter-Regelung, aber nur, wenn es aus musikalischen Gründen auch vertretbar ist.
Ein Geisterspiel wie beim Fußball mit Streaming ins Wohnzimmer stand nie zur Diskussion?
Doch, das war schon sehr früh eine Idee. Als die Lockerungen im heutigen Sinne noch gar nicht da waren, haben wir überlegt, das Orchester in einem möglichst großen Raum mit Abständen zu platzieren und mit Live-Stream zu übertragen. Jetzt bleibt der Live-Stream für die vielen Interessenten, die bei diesen beschränkten Verhältnissen keinen Platz finden.
Sie haben auch Besetzung und Programm den Umständen angepasst?
Um das Risiko zu vermindern, haben wir die Besetzung auf ein reines Streichorchester von 23 Musikern verkleinert. Neben einem großen Teil der Musiker mussten wir dabei leider auch auf einen Teil der Solisten verzichten, die sich bereits im Januar in einer Audition für diesen attraktiven Auftritt qualifiziert hatten, weil eben nur Stücke mit Streicherbegleitung möglich waren. Viele waren natürlich enttäuscht, aber es gab nur die Möglichkeit, das unter diesen Umständen zu machen oder gar nicht. Und die, die mitspielen, spüren hoffentlich große Lust und Freude am wiedergewonnenen gemeinsamen Musizieren.
Wie haben Sie persönlich reagiert, als durch den Lockdown Ihr Terminkalender plötzlich leer blieb?
Man ist am Anfang wie gelähmt, fühlt sich wie im falschen Film, wenn mit einem Schlag die Planung über den Haufen geworfen wird. Man vermisst den Austausch mit den Studierenden. Virtuelles Distance Learning kann trotz eines Mehraufwandes die Schwingungen, das Fließen der Energie mit dem Gegenüber nicht ersetzen.
Waren Sie einverstanden mit den Verordnungen der Regierung im Kulturbereich?
Ich glaube, dass es notwendig war, zunächst in allen Bereich so konsequent darauf zu reagieren. Bei den Lockerungen allerdings stand in Deutschland wie in Österreich die Kultur an allerletzter Stelle. Das zeigt mir, welch geringen Stellenwert die Kulturschaffenden genießen.
Trauen Sie sich zu sagen, wann sich wieder Normalität einstellen wird?
Ich sehe es mittlerweile ein wenig nüchterner. Wir werden mit diesen Rahmenbedingungen wohl bis auf Weiteres leben und auch planen müssen. Ich weigere mich, mit meinen anderen Ensembles für den Herbst geplante Projekte bereits jetzt zu canceln. Allein deswegen, weil Proben ein klares Ziel brauchen. Und auch, weil ich wohl ein unverbesserlicher Optimist bin, auch in schwierigen Zeiten. Fritz Jurmann
Zur Person
BENJAMIN LACK
GEBOREN 9. Juli 1977 in Schwäbisch-Hall
AUSBILDUNG Studien in Dirigieren, Schulmusik und Horn in Wien und Stuttgart, Meisterkurse bei Kurt Masur und Mariss Jansons
TÄTIGKEIT Seit 2007 Domkapellmeister in Feldkirch; Leiter des Bregenzer Festspielchors und des Kammerchors Feldkirch; seit 2011 Lehrauftrag für Chor- und Ensembleleitung am Konservatorium, Dirigent des Sinfonieorchesters
5. Juli, 11 Uhr, Konservatorium Feldkirch: Matinee mit Solisten und Sinfonieorchester, Leitung: Benjamin Lack (ausverkauft) – Live-Stream: https://bit.ly/Sommermatinee