Francisco Obieta ist Kosmopolit und Allrounder

Der in Argentinien geborene Musiker hat in einer Komposition die Pandemie kommen sehen.
Feldkirch Argentinien ist sein Geburtsland, die Schweiz sein Wohnort, das Landeskonservatorium Feldkirch sein künstlerisches Zuhause. Francisco Obieta ist Kosmopolit, Allrounder und mit seinem Ungetüm von Kontrabass bei allen beliebt. In seinen Kompositionen erzählt er Geschichten, die vom Tango seiner Heimat handeln oder von bevorstehenden Krisen.
Sie haben noch vor Corona ein neues, albtraumartiges Werk „A Fallout of Nightmares“ geschrieben, dessen Uraufführung verschoben wurde. Das war aus heutiger Sicht eine visionäre Mahnung, eine Vorahnung der kommenden Katastrophe.
In letzter Zeit mussten wir viele progressiv eingestellte Menschen erleben, Verdunkelungen am Horizont der Menschheit. Soziale, ökologische, wirtschaftliche, politische, zwischenmenschliche Probleme wurden immer größer. Als Künstler lebe ich stark in meiner Gegenwart verankert und will auf solche Entwicklungen aufmerksam machen. Deshalb habe ich mein Werk im Untertitel auch „A XXI Century Awakening for Double String Quartet“ genannt, also eine Warnung vor der Krise.
Was denken Sie, wenn Sie auf die gravierenden Corona-Fallzahlen in Ihrer Heimat schauen?
Da bin ich immer bestens informiert, denn meine Schwester ist in Buenos Aires die wichtigste Virologin, sie ist ständig im Einsatz und in Verbindung mit der Regierung, um die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Während in den USA, Brasilien und Chile die Zahlen explodieren, hat Argentinien weit weniger Fälle, weil man sich dort an Europa orientiert.
Papst Franziskus und der Fußballer Lionel Messi stammen ebenfalls aus Argentinien. Wem fühlen Sie sich mehr verbunden?
(lacht) Keine Frage, dem Papst. Ich habe ihn kennen gelernt, als er während meines Studiums an der katholischen Universität in Buenos Aires als Kaplan Jorge Mario Bergoglio wirkte, ich schätze ihn heute noch außerordentlich.
Unter welchen Umständen sind Sie in Buenos Aires aufgewachsen?
Mein Vater hatte eine Firma, die im Auftrag europäischer Investoren riesige Rinder-Farmen verwaltete. Und das hat mich als junger Mensch so interessiert, dass ich zunächst Agraringenieur wurde und bis heute gerne ein saftiges, auf den Punkt gebratenes Steak liebe.
Warum sind Sie dann nicht bei der Landwirtschaft geblieben?
Musik hat mich schon als Kind interessiert, mit acht die Geige, dann das Cello. Mit 14 hab‘ ich die Beatles gehört und zum E-Bass gegriffen. Von da war es nur ein kleiner Schritt zum großen Kontrabass, der mich mit seiner tiefen Klangfülle bis heute erfüllt – wie ein gutes Steak (lacht)! Das Diplom dazu habe ich noch in Buenos Aires gemacht. Von dem berühmten Geiger Yehudi Menuhin erhielt ich ein persönliches Stipendium für drei Jahre Studium in Bern und Genf.
Sie haben dann eine Bernerin geheiratet und sind in der Schweiz geblieben?
Ja, auch weil ich ein Probespiel beim Symphonieorchester St. Gallen gewonnen habe. Seit 1991 bin ich zusätzlich Dozent am Landeskonservatorium Feldkirch und habe dort großen Zulauf in einer vollen Klasse mit 14 Studenten, weil ich eine spezielle Technik und Philosophie unterrichte. Die größte Befriedigung für mich ist der Erfolg meiner Studenten.
Sie leben heute in Au in der Schweiz und arbeiten in Österreich. Haben Sie das Gefühl, dass Sie drüben mehr Anerkennung finden als bei uns?
Ich bin der Schweiz unendlich dankbar, weil ich dort sehr viel erreicht habe. Sie gibt mir eine Plattform von Ruhe und Gelassenheit für meine Arbeit, und ich kann meine Ziele dort sehr gut verfolgen. Für meine sozialen Kontakte überquere ich einfach den Rhein (lacht).
Sprechen Sie inzwischen auch Schwyzerdütsch?
Moll, moll – es bitzli Bärndütsch chan i vo minere Frou … Dafür ist meine Umgangssprache noch immer ein abenteuerliches „Tarzan-Deutsch“ (lacht).
Trotzdem spielt der Tango in Ihrer Musik immer noch eine ganz entscheidende Rolle?
Der Tango ist Teil meiner DNA. Wenn wir Argentinier weg sind von Zuhause, beginnen wir den Tango unglaublich zu vermissen. Denn das ist unsere Volksmusik, wie ein Appenzeller, dem in New York der Ländler fehlt. Und so habe ich hier einige Tango-Ensembles gegründet, und so ist im Laufe von 25 Jahren neben vielen anderen Werken mit Tango-Motiven und Rock und Piazzolla auch meine dritte Tangooper entstanden, „Odysseus & Nausikaa“, die morgen in Arosa uraufgeführt wird. Fritz Jurmann
26. und 27. Juli, 18 Uhr, 28. Juli, 20 Uhr, Waldbühne Arosa: Tangooper „Odysseus & Nausikaa“
11. Oktober, 11 Uhr, Konservatorium Feldkirch: „A Fallout of Nightmares“ (Ensemble PulsArt)