Billige Arbeiterinnen für ein kleines, feines Luxusgut

Die Schweizer Firma Trüdinger ließ einst in Bregenz Seidenbänder herstellen.
Bregenz Die Frauen sind adrett gekleidet, wurden wohl dazu aufgefordert, sich für den Fototermin zurechtzumachen. Den harten Arbeitsalltag spiegelt die Aufnahme aus dem Jahr 1893 somit nicht wider. Er steht aber außer Frage. Vorarlberg galt als Billiglohnland und war daher auch für Unternehmer aus dem Ausland attraktiv. Zu diesen zählte auch der mittlerweile weniger bekannte Schweizer Philipp Trüdinger, der 1855 in Basel eine Seidenbandfabrik gründete und gut dreißig Jahre später eine Niederlassung in Bregenz schuf. Die Gründe lagen auch in den strengen Zollbestimmungen in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, die damit zu umgehen waren. Der Kunsthistoriker Tobias G. Natter, der die abgebildete, großformatige Aufnahme in einer Vorarlberger Privatsammlung sichtete, nennt zudem, dass sich den Schweizer Fabrikanten damit ein großer Absatzmarkt öffnete. Dass sich die Firma am Steinbühel befand, geht, wie Natter berichtet, auch aus der Chronik des Landesmuseums hervor. Man bedankte sich einst bei dem Unternehmer, dass es möglich war, auf dem Fabriksareal Ausgrabungen zu tätigen. Der Baukomplex am Steinbühel zählt zu den bedeutenden Funden aus der Römerzeit.
Trüdinger hatte Seidenbänder hergestellt, die damals als Luxusartikel galten und begehrt waren. Man putzte damit Damenkleider auf, sie fanden aber ebenso an Uniformen und bei Heimtextilien jeglicher Art Verwendung.
Von Trüdinger bis Novartis
Die Herstellung dieser Bänder, Borten und Fransen wurde in weibliche Hände gelegt. Die Löhne der Arbeiterinnen waren wesentlich niedriger als die der Männer, damit waren sie in der Textilbranche willkommen. Kinderarbeit
war leider nicht verboten, unter Vierzehnjährige
durften nur nicht länger als zehn Stunden an sechs Tagen in der Woche beschäftigt werden. Jugendliche und Erwachsene schufteten oft bis zu 14 Stunden. Ein Hohn. Wenige Jahre nach dieser Aufnahme wurde die Firma Trüdinger & Cons. in Basler Bandfabrik umbenannt und eine Aktiengesellschaft. Hauptaktionär war der Basler Farbstofffabrikant Geigy. Damit sind wir in der jüngeren Geschichte. Aus Geigy wurde Ciba-Geigy. Weitere Fusionen führten zur Firma Sandoz und schließlich zu Novartis.
Damit lässt sich im Übrigen auch das Werden des Chemie-Standortes Basel nachvollziehen. Die Textilunternehmen zählten zu jenen, die einen enormen Bedarf an chemischen Produkten hatten. VN-cd
