Fanatismus und Widerstand

Stadtarchivar Christof Thöny thematisiert Aspekte der NS-Diktatur in Bludenz.
Bludenz Vor 75 Jahren endete im Mai 1945 mit dem Einmarsch der französischen Armee die nationalsozialistische Diktatur in Bludenz. Einen einschneidenden Bruch bedeutete das vor allem für jene Menschen, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung gewesen waren oder Widerstand gegen das faschistische System geleistet hatten. Allerdings wurden ihre Stimmen in der Nachkriegsgesellschaft kaum gehört – zu sehr wurde dadurch der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung ihre Duldung der NS-Verbrechen und in manchen Fällen gar deren Mittäterschaft vor Augen geführt.
Eine Ausstellung mit dem Titel „Verfolgung und Widerstand: Biografische Aspekte der NS-Diktatur in Bludenz“ widmet sich nun diesem dunklen Kapitel der Vergangenheit. Der Initiator dieses spannenden Aufarbeitungsformats ist Historiker und Stadtarchivar Christof Thöny: „Ich befasse mich seit Längerem mit der Schaffung eines Lern- und Gedenkortes zur NS-Zeit in Bludenz. Die Ausstellung ist sozusagen eine Frucht dieser Arbeit.“
Noch vieles unbearbeitet
Über Jahrzehnte wurde die Erinnerungskultur vom Gedenken an die gefallenen Soldaten der deutschen Wehrmacht dominiert. Das gilt auch für Bludenz: Mit Alois Jeller wurde ein Widerstandskämpfer zwar sehr bald nach Kriegsende mit der Benennung einer Straße gewürdigt, allerdings ließ eine kritische Auseinandersetzung mit den vielfältigen Facetten von Verfolgung und Widerstand viele Jahrzehnte auf sich warten. „Die zeithistorische Forschung der vergangenen Jahrzehnte macht heute einen wesentlich differenzierteren Blick möglich, auch wenn es noch viele Lücken zu füllen gibt“, erklärt Christoph Thöny. In der Ausstellung des Stadtarchivs Bludenz werden ausgewählte Biografien von Menschen vorgestellt, die in Bludenz Widerstand gegen das NS-Regime leisteten oder Opfer von Verfolgung wurden. Darüber hinaus werden verschiedene Aspekte der Thematik mit spezieller Berücksichtigung der Stadt Bludenz vermittelt.
So sind unter anderem auch Zeitzeugen-Interviews zu sehen: „Es gibt immer weniger Zeitzeugen. In der Ausstellung kommt vor allem die zweite und teilweise schon die dritte Generation zu Wort, allerdings aber auch noch unmittelbare Zeitzeugen wie etwa Elmar Schallert oder Berta Schenk, die ich 2006 interviewt habe.“ Die zehn Bildtafeln und drei Bildschirme im Ausstellungsraum vermitteln sehr heterogene Zugänge zur Thematik: „Ich habe versucht, möglichst viele Aspekte von Widerstand und Verfolgung abzudecken. Und die kommen in der Stadtgeschichte auch wirklich vor. Sogar jüdische Verfolgungsgeschichten gibt es in Bludenz. Eine Tatsache, die nur wenigen Menschen bewusst ist.“ Doch auch die Entstehungsgeschichte der NS-nahen Gruppierungen spielte eine tragende Rolle, denn schon am 11. März 1938 trafen sich in Bludenz zahlreiche Menschen bei der Fohrenburg und marschierten durch die Stadt, darunter auch eine Gruppe von Mitgliedern der SS aus Bludenz.
Das Rathaus wie auch Privathäuser waren mit Hakenkreuzfahnen beflaggt. Auch am darauffolgenden Tag fanden Kundgebungen von Sympathieträgern des Nationalsozialismus statt.
Zahlreiche NSDAP-Mitglieder
Der militärische „Anschluss“ an das Deutsche Reich am 13. März 1938 wurde sogar in einem Stummfilm dokumentiert, der ebenfalls im Rahmen der Ausstellung zu sehen ist. „Rund 1000 Bludenzer waren Mitglieder der NSDAP, SA und SS, das ist ein Zehntel der damaligen Bevölkerung. Besonders spannend war der Sturm auf die Kreisleitung in den letzten Kriegstagen. Hier prallten NS-Fanatiker und Widerstandskämpfer aufeinander. Glücklicherweise war der Widerstand zumindest insofern erfolgreich, dass Bludenz vor gröberen Verwüstungen verschont blieb. Die NS-Granden verließen bereits am nächsten Tag fluchtartig die Stadt“, betont Christof Thöny.
„Ich befasse mich seit Längerem mit der Schaffung eines Lern- und Gedenkortes.“



Die Ausstellung ist in der Remise Bludenz bis 10. September jeweils von Mittwoch bis Sonntag von 15 bis 18 Uhr geöffnet.