Ein Kraftwerk im Leerstand

Eine Auseinandersetzung mit dem Unsichtbaren.
Bregenz Wer Landeshauptstadt sagt, der muss auch Leerstand sagen. Lobenswert ist da die Initiative „Temporary Art“ vom Stadtmarketing Bregenz in Kooperation mit der Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs. Für einen Monat werden leerstehende Objekte bespielt. Das geschieht zum Teil unter der Wahrnehmungsschwelle, liefert aber auch bemerkenswerte Denkanstöße.
Natur als Vorbild
Von der Frage ausgehend, was eigentlich das Internet ist, haben Tabea Briggs, Linus Barta und Thomas Reif eine Licht- und Klanginstallation entwickelt, die so nebenbei noch die Themengebiete Klimakrise und Lebenssinn streift. Wer am helllichten Tag den Raum am Kornmarktplatz betritt, findet sich am dritten Tag der Schöpfung wieder. UV-Licht, Synthesizer-Klänge auf wachstumsfördernden 200 Herz Frequenz, Erdhaufen am Boden. Über allem thronen alte Beleuchtungen von Internetcafés, deren Kabel in die Erde reichen. In eben diese Erde sind Samen der Passionsblume gepflanzt, deren Wurzelwerk sich im Raum verbindet. So entsteht auch optisch und akustisch ein Kreislauf von Energien und Schwingungen. „Wir haben mit dem Internet etwas geschaffen, das in der Natur schon vorhanden ist. Etwas nicht Sichtbares, das uns dennoch alle verbindet“, erklärt Briggs. Zugleich stellt die Installation auch einen Hauch Kritik am Kapitalismus dar: „Wann hat das Wachstum sein Ende erreicht?“
Sich für die Passionsblume zu entscheiden, ist ein cleverer Schachzug, erkannten christliche Südamerika-Einwanderer in den Blüten die Symbole der Passion Christi. Die zehn Blütenblätter stehen für die Apostel ohne Judas und Petrus, die Nebenkrone für die blutige Dornenkrone, die fünf Staubblätter für die fünf Wunden Christi und die drei Griffel für die Kreuznägel. Hier schließt sich auch ein Kreis, denn Kunst darf auch einen aufklärerischen Charakter vorweisen.
Spannungsfeld erkunden
Für Interessierte hat die Künstlergruppe die Seite www.5g-flowers.wixsite.com/powerplant ins Netz gestellt, auf der man sich intensiver und in aller Ruhe mit dem Spannungsfeld zwischen Natur und Technik auseinandersetzen kann. Wer will, kann dazu auch der Musik von Ravi Shankar lauschen, denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass diese dem Wachstum von Pflanzen zuträglich ist. VN-HF


Finissage mit Performance am Samstag, 29. August, 19 Uhr, Kornmarktplatz 5, Bregenz