Jugendphilharmonie begeisterte: Je kleiner, desto schlagkräftiger

Kultur / 11.09.2020 • 23:00 Uhr
Jugendphilharmonie begeisterte: Je kleiner, desto schlagkräftiger
Der Auftakt der Konzertserie mit der Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie hat begeistert. JU

Christoph Eberle schwor seine Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie auf die Wiener Klassik ein.

BREGENZ Wegen der geltenden Vorschriften während der Pandemie musste Dirigent Christoph Eberle beim jüngsten Projekt seine Quarta 4 Länder Jugendphilharmonie, mit der er derzeit durch die Lande tourt, um die Hälfte reduzieren. Das genügte, um anstelle der geplanten vierten Symphonie von Gustav Mahler mit 80 Pulten Werke der Wiener Klassik mit maximal 40 Musikern aufzuführen. Premiere war am Donnerstag im mit Covid19-Abständen sehr gut besuchten Festspielhaus.

Corona verdankt man auch eine Erkenntnis: Je kleiner dieses Orchester besetzt ist, desto schlagkräftiger und präziser wird musiziert, frei nach dem Motto „Small is beautiful“. Während Mozarts populäre A-Dur-Symphonie mit 30 Musikern wie am Schnürchen abrollt, kommt die 40-köpfig besetzte „Pastorale“ von Beethoven mit ihren auch höheren inhaltlichen Anforderungen auf hohem Leistungsniveau nicht ganz so zwingend in die Gänge. Mozart dagegen entsteht aus dem Geist des Komponisten in einer gerundeten, transparenten Klanglichkeit als Ideal der Wiener Klassik, auf die Eberle seine Musiker innert weniger Probentage eingeschworen hat. Nachdem es sich dabei um ein zwar junges Orchester, aber mit Mitgliedern im Alter zwischen 15 und 26 um kein Jugendorchester mehr handelt, werden diese Feinheiten im Konzert auch nervenstark und auf professionellem Niveau umgesetzt. Ein Beispiel dafür mag der immer wiederkehrende rasche Aufschwung der Geigen im Finale sein, der jedes Mal makellos gelingt. Eberle hat seinen Mozart im Kopf, dirigiert auswendig, ein Markenzeichen schon zu seinen SOV-Zeiten, hat dadurch alle Sinne frei für ein intensives Umsetzen seiner Ideen über Zeichen, Blicke, Gesten in einer jugendlich frisch gestylten, dynamischen Sichtweise ganz ohne alte Zöpfe.

Der 22-jährige Johannes Ascher übernahm den Solopart.
Der 22-jährige Johannes Ascher übernahm den Solopart.

Schon hier erweist der 22-jährige Johannes Ascher aus Tuttlingen, der in Berlin studiert, als Debütant am Konzertmeisterpult Führungsqualitäten. Ihm ist auch der Solopart in der Violinromanze F-Dur von Beethoven anvertraut, älteren Zuhörern als Kennmelodie beim TV-„Quiz in Rot-Weiß-Rot“ in einer Fassung von James Last in Erinnerung. Ascher spielt in diesem ganz auf Sanglichkeit angelegten Werk selbstbewusst sein Können aus: sichere Technik, warmer Ton, hohe Musikalität und eine intensive Dialogfähigkeit mit Eberle und seinem Orchester.

Reinster Wohlklang

Nachdem anstelle einer Pause Comedian Elke Riedmann mit dem Publikum ihre Späße getrieben hat, folgt Beethovens wohl volkstümlichste Symphonie, die „Sechste“. Man diskutiert heute noch darüber, wie der Komponist das den fünf Sätzen unterlegte Programm mit der Anmerkung „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“ wirklich gemeint hat. Jedenfalls empfindet jeder, der sich in kindlicher Naivität der ländlichen Idylle, dem Tanz der Landleute, dem Gewitter und dem Dankgesang hinzugeben gewillt ist, 40 Minuten befreiender Erbauung. Diese Streicher sind der reinste Wohlklang, wenn sie etwa mit innerer Überzeugung das Dankthema anstimmen, in exponierten Soli haben auch die ersten Bläser ihre große Stunde: Laura Moosbrugger, Flöte, Anna Eberle, Oboe (eines von vier Eberle-Kindern im Orchester), Paul Moosbrugger, Klarinette, Johanna Bilgeri, Fagott, und Jonas Ellensohn, Horn.

Auch wenn hier nicht mehr ganz diese absolute Präzision und Perfektion vorherrschen wie bei Mozart – es ist ja ein junges Orchester –, tun Christoph Eberle und seine Quarta doch alles, um die gläubige Reinheit und geistige Offenheit dieses Werkes zu einem respektablen Gesamteindruck zu formen. Es ist keine spektakuläre Wiedergabe, wie man sie derzeit oft von großen Orchestern hört, mit Tempobolzen und extremen Ausbrüchen in authentischer Musizierpraxis. Bei Eberle sind immerhin die Blechblasinstrumente barock, sonst bleibt alles kontrolliert, sogar der Donner – und die Wirkung ist nicht weniger beeindruckend. Für das Publikum heißt das: Masken auf und viel Applaus. Fritz Jurmann

Weitere Aufführungen: 12. September, 19.30 Uhr, St. Gallen, Tonhalle; 13. September, 18 Uhr Feldkirch, Montforthaus.