Beethoven neu gestylt

Concerto Stella Matutina realisierte eine besondere Hommage.
GÖTZIS Endlos schien vielen Freunden des Barockorchesters Concerto Stella Matutina die durch die Pandemie bedingte Wartezeit von über sechs Monaten, bis nun endlich das zur Saisoneröffnung im März geplante Tribute-Konzert zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven über die Kulturbühne Ambach gehen konnte. Dies erfolgte gleich zwei Mal, vormittags und abends, nach den Vorschriften vor jeweils 250 Besuchern, also mit doppeltem Aufwand für die Musiker, womit auch alle Abonnenten in den Genuss dieser Aufführung kommen konnten.
Und ein Genuss war es allemal, allein deswegen, weil die findige Truppe um den Trompeter und Organisator Bernhard Lampert mit zwei der populärsten symphonischen Werke Beethovens zugleich mit einer aufregenden Premiere im Land aufwartete. Sein singuläres Violinkonzert und die derzeit weltweit besonders viel strapazierte „Eroica“, die Symphonie Nr. 3, wurden damit nämlich erstmals im Land auf Instrumenten der Zeit aufgeführt, neu gestylt also im alten Originalklang und damit einem faszinierend veränderten Klangformat. Großmeister Nikolaus Harnoncourt himself, der Erfinder dieser Bewegung, hat zwar diese Werke bereits ab 1986 im Rahmen der Schubertiade im Feldkircher Montforthaus aufgeführt, zwar in authentischer Musizierweise, aber auf den modernen Instrumenten des Residenzorchesters Den Haag.
Im veränderten Gewand
Hier tritt nun das CSM erstmals hoch motiviert in der großen, über 30-köpfigen Besetzung an. Auch der Klangeindruck ist ein frappierend anderer, rau in den Naturtrompeten und harten Pauken, nicht immer ganz kieksfrei in den Naturhörnern, wunderbar samten in den barocken Holzblasinstrumenten und der warm und weich klingenden Streichergruppe auf Darmsaiten mit Konzertmeister David Drabek, dazu alles auch in alter, tiefer Stimmung. Beethovens Violinkonzert bekommt dieses veränderte Gewand sehr, ist es doch ein Werk, dessen Faszinosum sich nicht so sehr über extreme Virtuosität erschließt als durch klaren Aufbau, melodiöses Themenmaterial und eine Substanz der Kompositionskunst, die es über viele andere Werke der Gattung erhebt. Die Niederländerin Cecilia Bernardini, eine Spezialistin für historische Aufführungspraxis, hier erstmals als Solistin zugange, hat am Beginn ein paar kleine Unebenheiten in Klarheit und Intonation zu überwinden, findet dann aber immer mehr zu einer gelösten, wenngleich höchst engagierten und zupackenden Spielweise mit sauberer Technik und einem fein tragenden Ton. Die reizvolle Kadenz des ersten Satzes im Duett mit dem Paukisten geht u. a. auf Wolfgang Schneiderhan zurück. Dass sie neben diesen Anforderungen auch noch das Orchester zu leiten hat, rechtfertigt auch das Spielen aus Noten, was sonst in dieser Klasse ein absolutes No-Go darstellt. Andererseits bedeutet das Fehlen eines „richtigen“ Dirigenten auch eine letztlich sehr gelungene Bewährungsprobe für das Zusammenspiel der Musiker mit erhöhter Eigenverantwortung für jeden Einzelnen. Cellist Thomas Platzgummer erklärt das mit dem Wissen der Musiker über historische Aufführungspraxis, Werk, Komponist und Entstehungszeit, das sie mit ihrer Erfahrung, Fantasie und Spielfreude in Musik umsetzen.

Solistin Cecilia Bernardini mit dem Concerto Stella Matutina. JU
Platzgummer, bei diesem Ensemble immer wieder mit der Funktion eines „Hausdirigenten“ betraut, führt bei Beethovens „Dritter“ dann selber den Stab. Und das in einer so engagierten, temperamentvollen, sich selbst verausgabenden Weise, dass er am Schluss schweißgebadet zusammen mit seinen Musikern die Orgien der Trampelfraktion im Publikum entgegennehmen kann. Sein Einsatz gehört einer im Sinne Harnoncourts ungeschönt ruppigen, kantigen, fordernd frechen und tempogeladenen Wiedergabe dieses Werks um die Ideale der französischen Revolution, die dem Abend auch das Motto gaben. Dabei gelingt mit manchmal leicht überzogenen Mitteln zwar nicht alles immer superperfekt, dafür in einem mitreißenden Drive, einer Power und Dynamik, die einen schwer auf den Sitzen hält. Was will man mehr? Fritz Jurmann
Ausstrahlung: 12. Oktober, 21.03 Uhr auf Radio Vorarlberg. Nächstes Konzert von Concerto Stella Matutina: 30. und 31. Oktober, Götzis, Mozarts „Entführung aus dem Serail“ (gemeinsam mit der Lindauer Marionettenoper).