Berührend, aber verharmlosend

Vorarlberg Museum thematisiert „Vorarlberg und Corona“ vor allem als Rückblick.
Bregenz So schnell können sich die Umstände ändern. Was das Vorarlberg Museum in der Ausstellung „Shutdown. Vorarlberg und Corona“ im Atrium des Hauses am Bregenzer Kornmarktplatz frei zugänglich macht, dokumentiert im Großen und Ganzen die Zeit des Coronalockdowns im Frühjahr. Damals ist eine Situation eingetreten, die auch ältere Menschen in Vorarlberg so noch nie erlebt hatten. Selbst Paare waren plötzlich durch Grenzbalken und Absperrbänder voneinander getrennt. Deutsche und Schweizer durften nicht zu ihren Partnern und Liebsten in Vorarlberg und umgekehrt. Die Treffen an den Grenzlinien, wo dann selbst Umarmungen untersagt waren, sind fotografisch dokumentiert worden. Es sind sehr berührende Zeugnisse dieser Zeit.
Und wie sieht die Situation jetzt aus? Ein spontaner Ausflug ans deutsche Bodenseeufer, der Jahrzehnte, und selbst als es noch Passkontrollen gab, zu den Selbstverständlichkeiten im Alltag in Vorarlberg zählte, ist seit Ende September nicht mehr möglich, die Liste der Gründe für Sondergenehmigungen ist zwar etwas länger als im Frühjahr, wir wissen aber nicht, wie lange die Reisebeschränkung, die sich stark auf unser Leben auswirkt, noch andauert.
Ein Blick zurück
Anfang Oktober, als die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, die unser Leben stark beeinträchtigen, wieder verschärft wurden, hat man im Vorarlberg Museum die von Theresia Anwander kuratierte Ausstellung eröffnet. Gezeigt wird, was zwischen März und Juni gesammelt wurde. Die Fotos von Sarah Mistura, die etwa die Barrikaden an den Staatsgrenzen zeigen, die eingeschickten Dokumente zum Homeschooling und Homeoffice, die Aufnahmen vom Leben in der Isolation bieten Informationen, Begegnungen und sie bewegen. Es darf allerdings gefragt werden, warum hier kein Konzept entwickelt wurde, das verdeutlicht, dass das alles leider noch nicht vorbei ist. Gerade dieser Eindruck entsteht nämlich. Während wir nahezu stündlich von steigenden Infektionszahlen erfahren, während Veranstaltungen wieder reihenweise abgesagt werden müssen, während private Feste am besten gar nicht stattfinden, freischaffende Künstler, Schauspieler und Musiker nach wie vor ums finanzielle Überleben kämpfen, die Eventbranche quasi am Boden liegt und Wirte damit rechnen müssen, dass ihnen durch die Stornierung von Nikolo- und Weihnachtsfeiern nach dem kompletten Lockdown nun ein bedeutender Teil des Jahresumsatzes wegbricht, verhält man sich im Vorarlberg Museum unflexibel und blickt zurück.
Komplexität nicht erfasst
Die Qualität der Arbeiten des Künstlers Edgar Leissing, der sich entschloss, Tag für Tag einen Akt zu zeichnen und ein Vertriebssystem aufbaute, der Wert der Postkartenedition von Harald Gfader, der skurrilen Abstandmaschine von Roland Adlassnig oder der Zeichnungen von Bella Angora, die sich damit Menschen vergegenwärtigte, die sie nicht treffen konnte, soll hier keinesfalls geschmälert werden. Man beschäftigt sich auch gerne mit den Kinderzeichnungen, den Tagebüchern, den Interviews, die Isabella Natter-Spets mit den Menschen führte, auch die gehäkelten Modelle des Virus sollen vertreten sein, das Ausstellungsprojekt im größten, von der Öffentlichkeit getragenen Museum des Landes kommt insgesamt aber etwas harmlos daher. Freilich ist das Lockdown-Buch der Schriftstellerin Daniela Egger lesenswert, man braucht auch Verschwörungstheorien nicht unbedingt zu thematisieren oder jene, die die Maßnahmen hinterfragen, ausgiebiger zu Wort kommen zu lassen, ein Museum, das sich auch als Ort der Auseinandersetzung definiert, müsste aber auch politische Aspekte und die Komplexität der Thematik gerade in solchen Ausstellungsprojekten wesentlich besser zum Ausdruck bringen.

Die Ausstellung im Atrium des Vorarlberg Museum in Bregenz ist bis 24. Jänner geöffnet, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr. Sonderöffnungszeiten: vorarlbergmuseum.at