Christa Dietrich

Kommentar

Christa Dietrich

Krimispannung in der Literaturvilla

Kultur / 30.12.2020 • 19:18 Uhr

Bei der Verortung nehmen es Filmemacher oft nicht so genau. Im Fall der TV-Krimiserie „Die Toten vom Bodensee“, in der auch das österreichische Ufer oft ins Bild gerückt wird, ist es Ortsunkundigen aber sicher egal, wo die baufällige Villa wirklich steht, in der ein Teil der Handlung der neuen, am Mittwochabend erstmals ausgestrahlten Folge mit Titel „Der Wegspuk“ spielt. Die anderen bringen das Gebäude nicht mit dem See, sondern mit Hohenems und zudem mit einer Branche in Verbindung, die in dieser Serie trotz guter schauspielerischer Leistungen – etwa von Hary Prinz und dem hierzulande gut bekannten Stefan Pohl – nicht zum Ausdruck kommt, nämlich mit der Literatur. Gedreht wurde unter anderem in der Villa Franziska und Iwan Rosenthal im ehemaligen Jüdischen Viertel von Hohenems, die ganz andere Geschichten zu erzählen hätte und die vor nunmehr bald zwei Jahren ihrer Bestimmung als Literaturhaus übergeben wurde.

Der ehemalige Kulturlandesrat Christian Bernhard und der Hohenemser Bürgermeister Dieter Egger unterzeichneten im Salon dieser Villa den Finanzierungsvertrag. Dass in diesem Raum die Zeit um 1900 stehen blieb, ist nicht der Grund für die Verzögerung bei der Eröffnung. Entscheidungen zur Nutzung weiterer Teile des historisch-interessanten Gebäudeareals sind langwierig und dann kam auch noch Corona.

Will man Vorarlberger Einrichtungen und Initiativen benennen, die trotz der Veranstaltungsverbote, Reise- und Ausgangsbeschränkungen sowie Einnahmenausfälle sofort aktiv wurden, weil für sie ein Alltag ohne Kunst und Kultur undenkbar ist, so sind einzelne Musiker, kleinere Veranstalter, Kultur- und Literaturvermittler vorne dabei. Dazu zählt im Besonderen das Leitungsgremium dieses Hauses um Frauke Kühn, das unter anderem die Plattform literatur.ist gründete. Deutliche Zeichen eines funktionierenden Netzwerks sind, dass man Schülerinnen und Schüler aus Feldkirch, Lustenau, Dublin, Kopenhagen, Turin und Chisinau Texte zur Geschichte der Villa Rosenthal schreiben ließ, die nun publiziert werden konnten und dass man Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus verschiedenen Ländern zum Dialog in Briefform aufforderte. Kein Grund rechtfertige Autokratie, schrieb Roberta Dapunt aus dem Gadertal an Christoph Linher aus Vorarlberg, während auch dieser Anzeichen einer Gefährdung der Demokratie darlegte.

Nach einem Jahr, in dem Kulturschaffende zum Schutz vor der Virusverbreitung nicht immer nachvollziehbar ausgebremst wurden und in dem die Kulturpolitik über viel zu viele Monate versagt hatte, stimmt es zumindest ein wenig zuversichtlich, dass die Literatur bei Förderungsabsichten nun in den Fokus rückt. Österreichs Literaturszene bereitet sich auf einen umfangreichen Gastlandauftritt auf der Buchmesse 2022 in Leipzig vor. Schwerpunkte in Vorarlberg sind bereits im kommenden Jahr der Aufbau einer Barockbaukunstsammlung im Bregenzerwald sowie die Öffnung des Literaturhauses für das Publikum. Eine Filmkulisse kann die Rosenthal-Villa in Hohenems trotzdem sein. Mehr als Krimispannung böte eine gute Dokumentation mit anspruchsvollem Drehbuch.

„Eine Filmkulisse kann die Rosenthal-Villa in Hohenems trotzdem sein. Mehr als Krimispannung böte eine gute Dokumentation mit anspruchsvollem Drehbuch.“

Christa Dietrich

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