„Das hat sich ein Kulturfeind ausgedacht“

Der Bregenzer nimmt auch zu kulturpolitischen Entscheidungen, wie nur untertags Konzerte zu erlauben, Stellung.
Graz, Bregenz Er lebt in der Steiermark und unterrichtet als Professor an der Musik-Uni Graz. Und doch ist der Komponist Richard Dünser in seiner Heimat so präsent geblieben, als wäre er nie weg gewesen, etwa durch Uraufführungen seiner Werke, wie der Oper „Radek“ bei den Festspielen.
Welche Auswirkung hat die Coronapandemie auf Ihr Schaffen?
DÜNSER Es war, besonders während des ersten Lockdowns, eine Zeit größter Kreativität. Ich habe mehrere umfangreiche Werke abgeschlossen, etwa „Ricordanze“ für Klavierquartett, das heuer im Vorarlberg Museum uraufgeführt wird, dazu eine Version für großes Orchester für die Beethoven Philharmonie Baden. Auftragswerke gibt es für den Musikverein Wien und das Alban-Berg-Ensemble mit „der zeiten spindel III“ sowie den Dirigenten Mario Venzago und das Basler Kammerorchester mit einer neuen Fassung des E-Dur-Symphoniefragments von Schubert als große Symphonie von 40 Minuten Spieldauer. Außerdem habe ich mein drittes Streichquartett für das junge Selini Quartett begonnen.
Wie unverzichtbar ist Kunst gerade in einer so prekären Situation?
DÜNSER Kunst ist, je schlechter es den Menschen geht, eine umso größere Notwendigkeit im Leben. Ich hatte vor Jahrzehnten eine Uraufführung in Rumänien während der grauenvollen Ceausescu-Diktatur. Selten habe ich erlebt, dass Menschen derart inbrünstig einem Konzert zuhören.
Hat die Politik in ihren Entscheidungen angemessen auf Künstler und Institutionen reagiert?
DÜNSER Nein, leider überhaupt nicht. Etliche meiner Kollegen, also Musiker, Komponisten, Dirigenten, die freischaffend sind, wurden im wahrsten Sinne des Wortes ausgehungert. Das ist ein Skandal. Wie mit dem Kultursektor umgegangen wird ebenso. Ein Irrsinn auch die neue Regelung, dass ab 18. Jänner Konzerte stattfinden dürfen, aber nur untertags. Das hat sich ein Kulturfeind ausgedacht, denn wer wird denn als berufstätiger Mensch untertags in ein Konzert gehen können? So bringt man Kunst und Kultur in unserem Land um, weil die Künstler nicht so eine Lobby haben wie z. B. die Wirtschaft. Aber die Kunst ist in Wirklichkeit ebenso ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.
Wie ist es Ihnen gelungen, über Jahrzehnte in so enger Verbindung zur Vorarlberger Musikszene zu bleiben?
DÜNSER Die Verbindung zu Vorarlberg war und ist für mich essenziell. Ohne ORF-Landesstudio, die Bregenzer Festspiele unter Wopmann und Pountney, das Symphonieorchester Vorarlberg, das Ensemble Plus und die Kulturabteilungen des Landes, von Bregenz und Dornbirn und viele Musiker-Freunde hätte ich meinen Weg so nicht gehen können. Meine Ermahnung an die Politik ist: Bei Musik, insbesondere beim Symphonieorchester Vorarlberg und beim Ensemble Plus, nicht knausrig sein, das sind wesentliche, großartige Kulturträger und es kommt immateriell und materiell zurück. Weniger für Dinge ausgeben wie Beratungs- und PR-Firmen. Die Politik sollte auch die Vorarlberger Musikschaffenden deutlicher unterstützen.
Wie wird man Komponist?
DÜNSER Gute Frage. Man muss eigentlich verrückt sein: stundenlanges, jahrelanges, jahrzehntelanges einsames Arbeiten, Selbstauferlegung von Disziplin. Das macht nur jemand, der den ununterdrückbaren Drang hat, etwas auszusagen, etwas mitzuteilen. Wenn einem diese Aussagen gelingen, erfüllt einen dies mit einem so großen Glücksgefühl, dass man für alles andere, die Durststrecken etc. entschädigt wird. Dies insbesondere wenn man das Geschenk hat, mit Weltklassemusikern, -orchestern und -ensembles zu arbeiten und von diesen aufgeführt zu werden, von denen man verstanden und geschätzt wird.
Es gelingt Ihnen, mit Ihrer Musik das Publikum zu erreichen. Worauf führen Sie das zurück?
DÜNSER Möglicherweise darauf, dass ich etwas aussagen und damit Resonanz erzielen will, in einen Dialog mit den Zuhörern eintreten und diese berühren will. Ich möchte moderne Kunst machen, aber auf so altmodische Dinge wie ausgehörten Klang, Atmosphäre und Stimmung setzen und für die Musiker so schreiben, dass sie es gerne spielen, weil es ihre Instrumente so zur Geltung bringt, wie sie das intensiv studiert haben.
Zuletzt haben Sie sich auf Bearbeitungen spezialisiert. Was fasziniert Sie an dieser Tätigkeit?
DÜNSER Von Bach über Mozart bis Henze und Zender haben Komponisten immer auch Werke anderer bearbeitet. Man lernt dadurch eine Menge, außerdem ist Instrumentation eine große Liebe von mir. Ich suche die Balance zwischen eigenen Werken und Bearbeitungen, das eine befruchtet das andere. Ich würde aber niemals nur Bearbeitungen machen wollen, ich bin kein Arrangeur, sondern Komponist. Ich greife ins Werk ein, übernehme die Letztverantwortung und mache es quasi zu meinem. So habe ich für das Silver-Garburg-Klavierduo Brahms’ Klavierquartett Nr. 1 zu einem vierhändigen Klavierkonzert erweitert, das mit den Wiener Symphonikern zum internationalen Erfolg wurde. Im Moment mache ich dasselbe mit Schumann, Uraufführung ist 2022 in Santa Barbara.
Zur Person
RICHARD DÜNSER
Ausbildung Konservatorium Bregenz, Studien bei Francis Burt an der Musikuni Wien und bei Hans Werner Henze in Köln
Tätigkeit 1991 Berufung zum Professor für Musiktheorie an der Musik-Uni Graz, seit 2004 dort Leiter einer Kompositionsklasse; umfangreiches Schaffen als Komponist in verschiedensten Gattungen, Auftragswerke, internationale Aufführungen
Auszeichnungen 1988 Staatsstipendium für Komposition, 2000 Dombrowski-Stiftungspreis für Musik, 2010 Ernst-Krenek-Preis
Familie verheiratet, zwei Söhne