Vielleicht wird’s besser
In den letzten Tagen vor dem Jahreswechsel gab es eine interessante Meldung von Caritas und Rotem Kreuz. Immer mehr Flüchtlingsheime schließen ihre Pforten, weil kein Bedarf mehr für sie ist. Waren es vor vier Jahren noch 250 Unterkünfte, so sind es derzeit gerade einmal noch neunzig. Diese geringere Anzahl ist nicht etwa darauf zurückzuführen, dass die Flüchtlinge weitergezogen sind, sondern darauf, dass sie inzwischen einer geregelten Arbeit nachgehen, dass sie also, wie das die Caritas nennt, „auf eigenen Füßen stehen“. Und das trotz Corona. Das ist eine höchst erfreuliche Entwicklung, die nur durch die Tatsache getrübt wird, dass es für die Flüchtlinge offensichtlich leichter ist, einen Job zu finden als eine Wohnung.
Diese Meldung zeigt vor allem etwas: Es ist möglich, dass Flüchtlinge hier ihren Platz finden, dass sie eine Art „normales“ Leben führen können. Trotz Verlust ihrer Heimat, trotz oft furchtbarer Erlebnisse von Krieg und Terror, trotz Verlust von Familie, von Eltern, Geschwistern, Kindern. Solche Verletzungen sitzen tief, sie werden bleiben, bei vielen ein Leben lang. Aber wenigstens wird ein Dasein ohne Angst möglich, ohne Angst vor Verfolgung, Folter und Zukunftslosigkeit.
Was im Grunde eine gute Entwicklung ist, zeigt allerdings auch die Schwäche, geradezu die Grausamkeit der österreichischen Politik. Denn dieses reiche Land weigert sich seit Langem beharrlich, Flüchtlingen, vor allem Frauen und Kindern, die in griechischen und anderen Lagern unter unmenschlichen Verhältnissen dahinvegetieren, eine Hoffnung zu geben, indem sie bei uns aufgenommen werden. Wir sperren die Lager zu, weil wir sie nicht mehr brauchen. Aber wir brauchen sie nicht, weil wir die Menschen lieber in ihren furchtbaren Umständen vor sich hinvegetieren lassen. Trinkwasser haben sie keines, dafür Wasser am Boden in untauglichen Zelten. Und das im Winter, der in diesen Ländern ähnlich kalt ist wie bei uns. Das aber stört Bundeskanzler Sebastian Kurz, das stört Innenminister Karl Nehammer, die Vertreter, der christlich-sozialen ÖVP, nicht. Längst haben sie ihre christlichen ebenso wie ihre sozialen Grundsätze über Bord geworfen, über Bord der Flüchtlingsschiffe, die übers Mittelmeer kommen.
Daher mein Neujahrswunsch: Die Partei, die ehemals so noble Wurzeln hatte, möge zu ihren Grundsätzen der Menschlichkeit zurückfinden und wenigstens einem kleinen Teil der Flüchtlinge neue Hoffnung auf ein erträgliches Leben bringen. Dann kann ich vielleicht auch den anderen großen Sprüchen trauen, die ich von den Politikern dieser Seite höre.
„Die Partei, die ehemals so noble Wurzeln hatte, möge zu ihren Grundsätzen der Menschlichkeit zurückfinden.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
Kommentar