Bernhard Loss motiviert Kirchenchöre zum Durchhalten

In den Kirchenchören des Landes ist es still geworden.
FELDKIRCH Seit bald zwei Jahrzehnten betreut Bernhard Loss als oberster Kirchenmusiker des Landes Organisten und Kirchenchöre in den 144 Pfarreien, vom Domchor Feldkirch bis zum kleinen Dorfchor, berät sie vor allem in Situationen wie derzeit, da ihnen durch die Pandemie das gemeinsame Singen als wichtigstes Ausdrucksmittel untersagt ist.
Wie war das heuer in den Kirchen des Landes – ein Weihnachtsfest ganz ohne Kirchenchöre und Volksgesang?
„Stille Nacht“ durfte von maximal vier Vokalisten gesungen werden, begleitet von Orgel und vier Instrumenten. Es war eine „Stille Nacht“ fast wie 1818, als es in Oberndorf erstmals erklang, auch damals in einer Notsituation. Die Orgel war kaputt. Da blieben zwei Sänger mit Gitarrebegleitung, die Gläubigen hörten zu. Nichts von der romantischen Wohlfühlatmosphäre, die wir heute damit verbinden, aber mehr von Bethlehem und der ra(s)tlosen Suche nach Herberge, nach Beheimatung.
Die Maßnahmen für weltliche Chöre und Blasmusiker gelten also auch für Kirchenchöre?
Keine Proben und keine Aufführungen gilt derzeit für alle und trifft alle in der Substanz. Singen und Musizieren in den Chören und Blaskapellen leben – wie Gesellschaft und Kirche – von der Begegnung mit den Sängern, Musikern und Zuhörern. Und für die Kirchenmusik kommt noch die Begegnung mit dem Göttlichen in der Liturgie dazu. Jetzt sind seit Längerem diese Begegnungen nicht möglich, und ein Ende ist nicht absehbar. Ein virtueller Lichtblick waren im Vorjahr die 23 wegen der Pandemie vom ORF zusätzlich angesetzten regionalen Radio-Gottesdienste, deren Abwicklung ich organisiert habe.
Wie ist die Stimmung derzeit unter den Chorsängern?
In den Kontakten mit Chorleitern und Obleuten erfahre ich natürlich von den Schwierigkeiten, mit den Sängerinnen und Sängern auch über die neuen digitalen Möglichkeiten in Kontakt zu bleiben und die Zeitspanne bis zum Tag X, an dem Chorproben wieder möglich sind, zu überbrücken. Dass sich mancher Sänger seit dem ersten Lockdown an den probenfreien Abend gewöhnt hat und überlegt, mit dem Singen im Chor aufzuhören, ist verständlich.
Neben dem Gesangstraining geht ja auch das soziale Element der Gemeinschaft verloren?
Natürlich, das fehlt in den Proben und Aufführungen total, auch das Training des Stimmapparats wird bei vielen Sängern in der Coronazeit zu kurz kommen. Interessanterweise scheinen ältere Menschen durch ihre Lebenserfahrung mit den Einschränkungen des sozialen Kontakts besser umgehen zu können als jüngere. Ich finde es aber wichtig, bei allen Bemühungen um den Schutz der Risikogruppen auch die jungen Menschen und ihre Fragen, wie es für sie weitergeht, nicht zu vergessen.
Wie sehen Sie Ihre Aufgabe in dieser Situation?
Meine Aufgabe sehe ich derzeit darin, unsere Kirchenmusiker über Veränderungen der gültigen Regelungen per Rundmail möglichst schnell zu informieren und ihnen für ihre individuellen Probleme ein offenes Ohr zu schenken. In normalen Zeiten unterstütze ich die Arbeit der ehrenamtlich in den Gottesdiensten Tätigen auf vielfache Weise: Information durch Rundschreiben mit Notenbeilagen, Beratung bei Chorleitersuche, Chorliteratur und Orgelangelegenheiten, Organisation von Weiterbildungsveranstaltungen wie Tage der Kirchenmusik oder Orgelwoche und vieles andere.
Wie groß ist das Interesse an den kirchlich orientierten Chorgemeinschaften in Vorarlberg?
Das Kirchenmusikreferat hat im letzten Jahr 93 Chöre finanziell unterstützt. Das sind klassische Kirchenchöre sowie Chöre, die oft als Schwerpunkt in Gottesdiensten singen. Die Zahl der Kirchenchöre mit ihren insgesamt ca. 3.500 Sängerinnen und Sängern geht langsam, aber kontinuierlich zurück. Ich bemerke eine Parallelität zwischen den strukturellen Veränderungen in der Katholischen Kirche Vorarlberg und der Entwicklung bei den Kirchenchören. Es gibt neben der Einzelpfarre neu entstandene größere Einheiten wie Seelsorgeräume, die eine vermehrte Zusammenarbeit von Kirchenchören fördern. Dazu kommt der steigende Altersdurchschnitt in den Chören, das große Freizeitangebot und nicht zuletzt die Krise der Institutionen, die mit Austritten auch vor der Katholischen Kirche nicht haltmacht. Die jüngere Musikszene mit ungefähr 50 Ensembles wird von der Jungen Kirche betreut.
Sie sind professionell ausgebildeter Organist, unterrichten an der Musikschule Feldkirch den Orgelnachwuchs, sind selber aber nur noch im Gottesdienst, kaum mehr in Konzerten zu hören?
Meine Schüler sind alle als Organisten tätig und sehr begeistert. Für mich selber ist nicht das Konzert, sondern das Orgelspiel im Gottesdienst das Höchste. Da kann ich in den Improvisationen Stimmungen aufnehmen, verstärken oder verwandeln, das entspricht als Schwerpunkt meiner Begabung und Lebensgeschichte. Als Kirchenmusikreferent habe ich das Organisieren lieben gelernt – das Kirchenmusikreferat ist meine zweite, virtuelle Orgel, auf der ich gerne spiele.
Ihr größter Wunsch für 2021?
Der Friede.
Fritz Jurmann
Bernhard Loss
GEBOREN 1960 in Feldkirch
AUSBILDUNG Orgel bei Domorganist Walfried Kraher, Musikpädagogik, Religionspädagogik und Reifeprüfung Orgel am Konservatorium Innsbruck, Studienaufenthalt bei Bert Matter in Arnheim/Holland
TÄTIGKEIT Kirchenmusikreferent der Diözese Feldkirch, Lehrtätigkeit Musikschule Feldkirch, Organistenstellen in Altstätten/CH und am Dom, 2012 bis 2019 Geschäftsführer der diözesanen Stiftung „Carl Lampert Forum“
FAMILIE verheiratet, vier Kinder