Für Gerhard Frontull steht die klangliche Qualität an oberster Stelle

Kultur / 07.03.2021 • 09:00 Uhr
Für Gerhard Frontull steht die klangliche Qualität an oberster Stelle
Gerhard Frontull: „Ohne Gesang wäre mein Leben um ein vielfaches eintöniger und leer. Musik belebt.“  VN/PAULITSCH

Der Leiter der Vorarlberger Chorakademie blickt mit seinen Sängerinnen und Sängern hoffnungsfroh ins Jahr 2022.

ALTACH Der ehemalige Direktor der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik Feldkirch leitet als Präsident der Chorakademie Vorarlberg unter Markus Landerer auch ein besonderes Chorprojekt im Land, zugleich ist er Sänger mit Leib und Seele. Dank seiner Umsicht kam der mit 80 ausgewählten Stimmen aus der Region besetzte Chor auch in der Pandemie nie ins Wanken.

Was sagen Sie als erfahrener Pädagoge zur Schulpolitik in der Pandemie?

Ich bin froh, dass ich diese für Schulleiter und Lehrer sehr herausfordernde Zeit nicht mehr miterleben muss. Die Maßnahmen haben mir leider gezeigt, dass Schüler eine sehr schwache Lobby haben und der oft zitierte Satz „Kinder in die Mitte“ in dieser Pandemie leider kaum spürbar war. Volksschulen so lange zuzusperren, halte ich für äußerst problematisch und ich hoffe sehr, dass dies nicht noch einmal geschieht. Den Entscheidungsträgern waren die Baumärkte anscheinend wichtiger als Hunderttausende Volksschulkinder. Die negativen Folgen werden wir alle spüren.

Wie haben Sie zum Gesang gefunden?

Ich stamme aus einer musikalischen Familie. Unter meinen Vorfahren gab es zum Beispiel einen Domorganisten, einen Chorleiter, einen Komponisten und einen Kapellmeister. Als Kind nahm mich mein Vater manchmal mit, wenn der Kirchenchor am Sonntag gesungen hat. Danach hat mein Singen eigentlich lange geruht, bis in Altach Manfred Honeck das erste Mal Mozarts Requiem aufgeführt hat, da war ich als Sänger und Organisator dabei. Seither habe ich viele wunderbare musikalische Aufführungen in verschiedenen Chören aktiv miterlebt: Das regelmäßige Mitsingen bei Konzerten mit Birgit Plankel in Bildstein, zeitweise als Sänger im Feldkircher Domchor unter Benni Lack und ganz besonders die Aufführung von Mahlers 8. Symphonie unter Kirill Petrenko zählen zu meinen besonderen Höhepunkten.

Dann war 2008 die anspruchsvolle Chorakademie mit der Elite der Sänger aus der Region für Sie so etwas wie die Erfüllung eines langjährigen Traumes?

Ja, das war ein Glücksmoment. Einige Sänger taten sich damals zusammen, konnten Markus Landerer als musikalischen Leiter gewinnen, die Chorakademie Vorarlberg war gegründet und trat mit Bach im Dom erstmals an die Öffentlichkeit.

Was zeichnet diesen vokalen Klangkörper im Besonderen aus?

Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, das vielseitige musikalische Angebot im Land durch unsere Konzerte zu bereichern und den Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, ihre musikalischen und stimmlichen Fertigkeiten zu erweitern. Wir bieten erfahrenen und ambitionierten Chorsängerinnen und -sängern aus Vorarlberg und den angrenzenden Ländern die Möglichkeit, bahnbrechende geistliche Werke unter professionellen Rahmenbedingungen zu erarbeiten und aufzuführen. Und mit Markus Landerer, Domkapellmeister zu St. Stephan in Wien, haben wir einen ausgezeichneten Chorleiter, der es durch seine Persönlichkeit und seinen Humor immer wieder schafft, uns und die Zuhörer mit großer Kirchenmusik zu begeistern.

Da wird also jeweils im Herbst mit einer Einstudierung begonnen, und die Sänger müssen bereits vorbereitet zur ersten Probe kommen – eine nicht alltägliche Anforderung?

Ja, das verlangt unser Chorleiter. Er reist extra zu allen Proben aus Wien an und erwartet genaue Vorbereitung durch Eigenstudium. Neue Mitglieder müssen selbstverständlich vorsingen. Die klangliche Qualität steht an oberster Stelle.

Nach großen Oratorien und Messen der Klassik und Romantik war zum zehnjährigen Jubiläum 2018 wieder Ihr Lieblingskomponist Bach an der Reihe, mit seiner gewaltigen h-Moll-Messe – der künstlerische Höhepunkt in der Geschichte des Vereins?

Ich glaube schon. Dieses Werk verlangt vom Chor sehr viel Genauigkeit, Musikalität und Ausdauer. Die Strahlkraft dieser Musik zur Aufführung zu bringen, ist nicht so vielen Chorsängern vergönnt. Wir konnten es ermöglichen. Das war ganz bestimmt eine Sternstunde.

Die letzte Aufführung bisher war zum Beethoven-Jahr dessen Missa solemnis, bei der Sie mit viel Glück wenige Tage vor dem ersten Lockdown noch durchgeschlüpft sind.

Ja, wenige Tage nach unserem Konzert am 8. März 2020 war Schluss und seither ist nichts mehr so, wie es war, auch in der Musik. Wir mussten unser Projekt 2021 mit Haydns „Schöpfung“ absagen, an ein Proben war nicht zu denken. Jetzt blicken wir hoffnungsfroh ins Jahr 2022, wenn erstmals in der Geschichte ein dem breiten Publikum völlig unbekanntes Werk aufgeführt wird. Das Requiem von Joseph von Eybler, einem Zeitgenossen Mozarts, ist ein beeindruckendes, wunderbares Stück Musik!

Können Sie sich ein Leben ohne Gesang vorstellen?

Nein! Ohne Gesang wäre mein Leben um ein vielfaches eintöniger und leer. Musik belebt. Fritz Jurmann

GERHARD FRONTULL

Geboren 1955 in Schwaz,

lebt in Altach

AUSBILDUNG Studium Deutsch und Geschichte an der Uni Innsbruck, spielt Klavier und lernt seit einem Jahr Orgel

TÄTIGKEIT Lehrer am Gymnasium Feldkirch, 2000 bis Ende 2019 Direktor der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik, Institut St. Josef in Feldkirch; Präsident der Chorakademie Vorarlberg

FAMILIE verheiratet, zwei Kinder, fünf Enkel