Der erste Raum ist wichtig

Frauenmuseum und VAI fordern mehr Zusammenarbeit von Ärztinnen und Architektinnen.
Hittisau, Dornbirn Anka Dür hat Architektur studiert und steht gerade vor dem Abschluss der Ausbildung zur Hebamme. Eine seltene Kombination, doch für die Vorarlbergerin (geb. 1988) ist sie genau richtig. „Das Thema Raum für Geburt wird in der gesamten Architekturgeschichte überhaupt nicht behandelt“, verweist sie im Gespräch mit den VN auf einen Umstand, der geändert gehört. Es gehe darum, Brücken zwischen den Disziplinen zu bauen. Die Bereitschaft, sich mit den Erfahrungen von Hebammen und Ärztinnen zu beschäftigen, sei zwar gegeben, die Umsetzung fehle aber bei den konkreten Planungen für Spitalsbauten, Rehazentren und Geburtshäuser.
Wenn Anka Dür von Architektur spricht, die das Wohlbefinden positiv beeinflusst oder die Heilung nachweislich unterstützt, dann denkt sie selbstverständlich auch an verschiedene Einrichtungen des Gesundheitswesens, aber auch an mehr. Mit der Gestaltung von Büroräumen und überhaupt des Arbeitsumfeldes, das heißt mit Orten, an denen wir uns im Alltag sehr lange aufhalten, hätte man sich aus ihrer Sicht viel intensiver zu beschäftigen.
Im Fokus steht nun aber der erste Raum im Leben eines Menschen, das heißt, der Ort der Geburt, dem laut Dür in unserer Gesellschaft viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Das Frauenmuseum Hittisau widmet sich in der aktuellen Ausstellung nicht nur der Geburtskultur und bietet dabei umfassende Informationen inklusive historische Rückblicke. Unweit des Museums wurde auch ein Raum für Geburt und Sinne errichtet, ein Prototyp, in dem auf ein positiv wirkendes Baumaterial ebenso verwiesen wird wie auf eine Ausstattung, die der Gebärenden guttut und die ihre aktive Rolle unterstreicht.
Ein idealer Ort
„Im Mittelpunkt von herkömmlichen Geburtszimmern steht immer noch das Bett, obwohl man weiß, dass eine liegende Haltung nicht von Vorteil ist.“ Der ideale Geburtsort von Anka Dür hat ein kuscheliges Ambiente und bietet der Gebärenden die Möglichkeit, sich in verschiedene Positionen zu begeben. Das Bett sei dabei nur eine der vielen Optionen und es reiche vollkommen, wenn es abseits stehe. Was sie erzählt, klingt logisch, bleibt aber in den Einrichtungen der Kreißsäle weitgehend unberücksichtigt, auch wenn diese sich in den letzten Jahren verändert haben und wesentlich freundlicher geworden sind.
Ein politisches Thema
98 Prozent der Geburten finden in den Spitälern statt, allerdings nicht, weil so viele Frauen dorthin wollen und medizinische Unterstützung brauchen, sondern weil sie oft gar keine andere Wahl haben. Positive Beispiele für Geburtshäuser seien leider noch selten zu finden. Dür verweist auf Einrichtungen in England oder beispielsweise auf ein Haus in Luzern. Den Start ins Leben zu gestalten, die baulichen Voraussetzung dafür zu schaffen, das ist für die Architektin und Hebamme auch ein politisches Thema. In Vorarlberg hat sich mittlerweile die Interessensgemeinschaft Geburtskultur gebildet. Das Architekturinstitut realisiert nun mit dem Frauenmuseum Hittisau eine internationale, digitale Tagung zum Thema Geburtsräume und Räume zur Heilung. Die Referentinnen und Referenten kommen aus dem Bereich Architektur, Medizin, Psychologie, aber auch Traumatherapie. Ziel ist es nicht nur, ein Bewusstsein zu schaffen, sondern auch würdige Orte für Menschen.
„Es ist besonders wichtig, nun Brücken zwischen den Disziplinen zu bauen.“

Interdisziplinäre Tagung “The First Room”, Veranstalter: Frauenmuseum Hittisau und Vorarlberger Architektur Institut am 25. und 26. März.