Ein später Akt der ­Wiedergutmachung

Kultur / 07.05.2021 • 19:41 Uhr
Pawel Zalejski, SongHa Choi, Kajana Packo, Klaus Christa und Danusha Waskiewicz im frühlinghaft geschmückten Pförtnerhaus in Feldkirch. ju
Pawel Zalejski, SongHa Choi, Kajana Packo, Klaus Christa und Danusha Waskiewicz im frühlinghaft geschmückten Pförtnerhaus in Feldkirch. ju

In der Pforte-Reihe wurde das verschollene Streichquintett der ­Komponistin Johanna Müller-Hermann zu neuem Leben erweckt.

FELDKIRCH Das Scheitern war vorprogrammiert. Als bekannt wurde, dass durch die coronabedingten Reisebeschränkungen drei der fünf Musiker des geplanten Streichquintetts absagen mussten, hing das 2. Abo-Konzert der Pforte an einem seidenen Faden. Kein Grund zur Aufregung für Kurator Klaus Christa. Er ließ seine Beziehungen spielen und brachte rasch eine neue Formation mit internationalen Top­leuten auf die Beine. Dass diese Musiker trotz der verkürzten Probenzeit zu einem Traumensemble verschmelzen würden, wie man es auch bei der Pforte selten erlebt, gehörte schon am Donnerstag beim ersten von fünf Konzerten dieses Projektes zu den Überraschungen dieser außergewöhnlichen Konzertreihe.

An der ersten Violine debütierte der Pole Pawel Zalejski, Konzertmeister des SOV und Primarius des hochkarätigen Apollon Musagète Quartetts, bei dieser Reihe. An seiner Seite wirkte die in Berlin lebende Südkoreanerin SongHa Choi. Neben Klaus Christa an der Viola komplettierten die ehemalige Solobratscherin der Berliner Philharmoniker, Danusha Waskiewicz, und die kroatische Cellistin Kajana Packo die internationale Besetzung. Aber nicht nur die exzellente Qualität ihrer Darbietung überraschte und beglückte die einhundert erlaubten Zuhörer, sondern auch eine spannende Dramaturgie, die unter dem Motto „Aus einer anderen Welt“ zwei Werke von Frauen von damals und heute einem großen Romantiker gegenüberstellte.

Kostbares Fundstück

Klaus Christa hat sich in der Nationalbibliothek Wien wieder als Schatzgräber versucht und ein kostbares Fundstück zutage gefördert, das den Abend eröffnet. Das Streichquintett a-Moll der längst vergessenen Wienerin Johanna Müller-Hermann (1868 – 1941) wurde erst einmal 1909 gespielt. So wird diese zweite Aufführung auch zu einem späten Akt der Wiedergutmachung generell an komponierenden Frauen der Jahrhundertwende, die unter gesellschaftlichen Vorurteilen litten. Müller-Hermann etwa musste trotz ihrer hohen musikalischen Begabung Volksschullehrerin werden und konnte erst nach ihrer Heirat Musik studieren. Ihr viersätziges Streichquintett atmet in vollen Zügen den schwelgerisch spätromantischen Stil eines Gustav Mahler, ist auch erfüllt vom Geist der 1899 entstandener „Verklärten Nacht“ von Schönberg, ohne letztlich dessen Genialität zu erreichen. Zentrum ist der weit ausholende Adagio-Satz, der in satten Streichklängen anhebt, dann oft wie verloren wirkt, gespenstisch fahl verlöscht und in einem übermütigen Finale seine Erfüllung findet. Die Musiker spielen das 40-minütige Werk unglaublich intensiv und farbenreich, wie erfüllt von einem inneren Sendungsbewusstsein. Und man wundert sich, dass solche Qualität so lange unerkannt in einem Archiv schlummern konnte.

Uraufführung

Das zweite Werk aus weiblicher Hand ist die Uraufführung eines Pforte-Auftrags an Julia Lacherstorfer, die mit ihrer Gruppe „Alma“ im Herbst hier begeisterte. Ihr kurzes tonales Stück „Atma – Lebenshauch“ spielt mit diffusen Flageolett-Tönen, Atemgeräuschen, Summ- und Singtönen der Musiker und hinterlässt eine atemlose Zuhörerschaft.

Mit glühender Leidenschaft bildet ein „Evergreen forever“ (Klaus Christa) das Finale, das „amerikanische“ Streichquintett op. 97 von Antonin Dvorák: gebündeltes Heimweh, aufgemischt mit domestizierten Melodien der indigenen Bevölkerung. Die Musiker finden da, oft genug mit einem Lächeln untereinander, genau die rechte Mischung, reichen untereinander die Melodielinien nahtlos weiter zu einem endlosen Fluss. Bis sich bei der Zugabe mit Zuko Samela als „Special Guest“ noch ein echter Südafrikaner mit Percussions und seiner selbstgebauten Bratsche zur internationalen Truppe gesellt und das Publikum swingend und gut gelaunt in den Abend entlässt.

Weitere Aufführungen: 8. Mai, 10.30 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch; 17 Uhr, Ritter-von-Bergmann-Saal Hittisau; 17. und 24. Mai, 21.05 Uhr, Radio Vorarlberg