“Es klingt wie die menschliche Stimme”

Der norwegisch-deutsche Musiker Mathias Johansen hat mit seinen Streichertagen die Szene belebt.
LUSTENAU Er ist auf Festivals erfolgreich, als Cellosolist bei großen Orchestern und als Kammermusiker in prominenter Gesellschaft. Mathias Johansen wurde zudem 2016 als jüngster Dozent am Landeskonservatorium aufgenommen.
Wie sehr fühlen Sie sich mittlerweile in Vorarlberg zu Hause?
JOHANSEN Die Frage nach dem Zuhause ist spannend. Es ist so, dass ich mich schnell an neuen Orten zurechtfinde und mein Zuhause dort ist, wo ich bin, so auch in Vorarlberg. Ich habe hier tolle Kollegen, inzwischen ein ausgeprägtes Netzwerk außerhalb des Konservatoriums, einen herrlichen jährlichen Kurs und einige enge Freunde.
Was hat Sie am Cello begeistert?
JOHANSEN Ich dachte zunächst, ein Streichinstrument wäre gut und habe mit fünf eine Geige probiert – das fand ich grässlich. Außerdem müssen die Geiger und alle Streicher stehen, wenn sie solo spielen, nur die Cellisten dürfen immer sitzen.
Und nur deswegen wurden Sie Cellist?
JOHANSEN Ja, ist doch völlig klar! Nein, aber im Ernst: Mich fasziniert an diesem Instrument vor allem die Bandbreite von himmlisch hoch bis grölend tief. Manchmal müssen wir wie Geigen klingen, manchmal wie Bratschen oder Celli und oft sogar wie ein Kontrabass. Das ist eine große Herausforderung. Und außerdem ist dieses Instrument auch am nächsten bei der menschlichen Stimme.
Das sagen die Klarinettisten auch.
JOHANSEN Ja, aber bei uns stimmt’s.
Sie haben sicher ein spezielles Cello?
JOHANSEN Es ist in der Tat ein historisches Cello. Zwar eines ohne Glanz und Glamour – es wurde 1850 von einem bisher unbekannten Wiener Geigenbauer gebaut. Aber es hat gewisse „innere Werte“, die mich selbst nach dem Spiel prominenterer Celli wieder haben zurückkommen lassen.
Sie sind jetzt seit bald fünf Jahren am Landeskonservatorium verpflichtet. Wie war Ihr Einstieg damals als Youngster?
JOHANSEN Ich finde, das Haus hat aktuell eine tolle Mischung aus erfahrenen und jüngeren MitarbeiterInnen und Mitarbeitern. Entscheidend ist, dass die Einstellung nicht „alt“ und reaktionär ist. Ich würde dem Kollegium ganz subjektiv eine fast jugendliche Energie zuschreiben. Der Einstieg fiel mir also sehr leicht und ich habe enge Verbindungen und Freundschaften knüpfen können.
War das Unterrichten an einer höheren Lehranstalt als zweites Standbein für den international tätigen Solisten und Kammermusiker immer schon Ihr Ziel?
JOHANSEN Für mich war das Unterrichten an einer höheren Lehranstalt so unwahrscheinlich, dass ich es in meine Planungen nicht wirklich mit einbezogen habe. Es gibt wenige solcher Stellen und viele fantastische Cellisten. Da ich nun mit einer vollen Klasse auch einen Teil der Verantwortung für zukünftige Musiker trage, ist diese Aufgabe ganz klar mein erstes Standbein und ich versuche anderes mit dieser Aufgabe zu vereinbaren. Es ist für mich wie ein tolles Konzert, wenn es glückliche Absolventen gibt oder mal ein internationaler Preis ins Haus flattert.
Wie haben Sie sich als Lehrer und Solist über die Pandemie gerettet?
JOHANSEN Natürlich war es anfangs ein Schock. Ich habe ihn genutzt, um viel draußen zu sein, habe das Rennradeln als neues Hobby entdeckt und 2020 gleich 3500 km gemacht. Das Studium ging für meine Studierenden aber doch sehr stringent über Video weiter und war für manche nicht immer ganz einfach. Dieser Lebensabschnitt ist nicht nur zum Lernen da, sondern auch Vernetzen und Austausch sind ausschlaggebend. Der Sommer hat für mich ein Konzert auf der Schattenburg und zwei CD-Einspielungen für CPO gebracht.
Ein besonderes Anliegen sind Ihnen die Feldkircher Streichertage.
JOHANSEN Richtig. Gleich in meinem zweiten Jahr habe ich mich mit den Kollegen Rampf und Christa zusammengesetzt und überlegt, was für eine Kurswoche wir uns vorstellen könnten. Ich wollte gerne die Welt nach Feldkirch holen, gemeinschaftlich lernen und Musik entdecken. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass wir etwas Strahlkraft nach außen vertragen könnten. Inzwischen sind wir erfolgreich im fünften Kursjahr angekommen. Was uns von anderen abhebt ist, dass wir seit zwei Jahren ein sehr umfassendes Programm anbieten. Der Plan geht auf: Vielen meiner Freunde und Bekannten ist Feldkirch inzwischen ein Begriff und auch unser Professoren-Lineup ist hochdekoriert und international.
Ihre Vielseitigkeit dokumentiert sich auch in zwei aktuellen Alben.
JOHANSEN In „Pohàdka“, „Märchen“, habe ich mit dem Pianisten Andreas Hering drei besondere und seltene Stücke ausgewählt. Die Märchenbilder von Schumann etwa sind original für Viola und Klavier, auf dem Cello sind sie ein waschechter Fingerbrecher, der sich aber lohnt. „Cello Meets Harp“ ist die zweite CD. Vor einigen Jahren hat mich Silke Aichhorn, wahrscheinlich die berühmteste Harfenistin Deutschlands, genervt als Einspringer für eine Cellisten-Absage angefragt: „Diese Cellisten, es gibt immer Spirenzchen und Extrawürste!“ Aus diesem Konzert entstanden viele weitere und letztendlich diese CD, die ich wie eine Pralinenschachtel mit vielen Köstlichkeiten betrachte.
Zur Person
MATHIAS JOHANSEN
Geboren 1985 in
Henstedt-Ulzburg/D
AUSBILDUNG 2005 Diplomstudium München, 2008 Bachelor-Studium Lübeck, 2014 Master-Studium Berlin, 2016 Konzertexamen mit Auszeichnung Stuttgart
TÄTIGKEIT Internationale Auftritte als Solist und Kammermusiker;
ECHO Klassik Preisträger 2016, seit 2016 Professor für Cello am Konservatorium Feldkirch
FAMILIE lebt mit seiner Freundin, die mit ihm aus Berlin nach Lustenau gezogen ist