Ein Statement für Österreich

Der Song Contest weckt Erinnerungen bei der ehemaligen Teilnehmerin Ina Wolf.
Wolfurt Als Christine Ganahl begeisterte sie mit ihren Eltern in zahlreichen Volksmusikabenden das Publikum vom Schwarzwald bis Hamburg, als Christina Simon vertrat sie 1979 Österreich beim Song Contest in Jerusalem. Als Ina Wolf startete sie ab 1977 in den USA eine Pop-Karriere als Sängerin und Songschreiberin, seit 1994 lebt und arbeitet sie wieder in Vorarlberg.
Werden Sie das Song-Contest-Finale anschauen?
WOLF Wenn ich es mir einrichten kann, verfolge ich diese Show. Ich tippe mit und liege meistens daneben. Aber es ist immer wieder spannend, die Entwicklung vom damaligen Grand Prix de la Chanson zum heutigen Medienspektakel zu beobachten.
Mit welchen Erinnerungen, welchen Gefühlen?
WOLF Das Gefühl von damals ist unvergesslich, es war einer meiner beeindruckendsten Auftritte. Gerade weil es eine so wunderschöne Botschaft war, die ich an diesem Ort vortragen durfte. Bis heute – und heute mehr denn je – hat der Inhalt traurige Gültigkeit: „Friede für Jerusalem“. Ich stand damals allein auf der Bühne, ohne Tänzer, ohne Light-Show, mit Live-Orchester und vor allem ohne Anspruch, gewinnen zu wollen. Österreich traute sich ein Statement zu machen.
War der letzte Platz damals zumindest gut für Ihre Karriere?
WOLF Der Song „Heute in Jerusalem“ brachte mir in jedem Fall Anerkennung. Ich freue mich jedes Mal, wenn sich Menschen bis heute an dieses Lied erinnern.
Sie wollten schon mit 14 Sängerin werden, haben klassischen Gesang studiert. Wie wichtig war das für eine spätere Pop-Sängerin?
WOLF Nach der Matura begann ich ein Studium für Opern-Gesang am Konservatorium in Innsbruck, zog weiter nach Wien und bestand ein Jahr danach die Aufnahmeprüfung in die Opernklasse der gefürchteten Grande Dame, Kammersängerin Rita Streich. Als immer mehr Anfragen kamen für Rollen in diversen Musicals, ebenso wie die Teilnahme am Austropop, ließ sich das mit Frau Streich und meinem lyrischen Sopran nicht mehr vereinen. Ich traf eine Entscheidung, und natürlich denke ich manchmal, was wäre gewesen wenn … Jegliche Gesangs-Ausbildung ist von Vorteil, ich hätte mir aber mehr Training für rhythmische Freiheiten und Improvisation gewünscht. Das bedient die Klassik nicht vordergründig.
Wo und mit wem sind Sie damals als „Christina Simon“ aufgetreten?
WOLF In den Wiener Jahren waren das Engagements am Burgtheater in „Mandragola“, in Bernsteins „Candide“ mit Heinz Marecek, in „Mayflower“ im Theater an der Wien u. a. mit Christoph Waltz, der später mein Trauzeuge war in Los Angeles, weiters in „Jesus Christ Superstar“ als Magdalena, die ich später auch am Theater des Westens in Berlin sang.
1977 sind Sie in die USA ausgewandert, ins Rock- und Pop-Mekka Los Angeles.
WOLF Meine 20 Jahre USA waren anfänglich sehr bescheiden. Aber im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und das war es damals noch in den 70-ern, hatte ich das Glück, im richtigen Moment auf die richtigen Leute in der Musikbranche zu treffen. Mit Ausdauer, Disziplin und göttlicher Eingebung – Talent allein genügt da nicht! – kam der Karriere-Stein ins Rollen, als die Band Starship mit „Sara“ die US-Chart-Spitze erreichte. In meinem Text sollte es um Sara gehen, die Frau des Leadsängers Mickey Thomas. Ein Auftragswerk mit schönen Folgen.
Der Auslöser für weitere spannende Projekte?
WOLF Ja, es folgte die Zusammenarbeit mit vielen internationalen Künstlern der Branche. Ich schrieb Texte für Natalie Cole, Chicago, Sergio Mendes oder Paul Young, um nur einige zu nennen. Doch 1994 bebte die Erde, nichts Ungewöhnliches in Kalifornien, nur diesmal lag das Epizentrum nahe unserer Ranch. Alle im Haus waren zum Glück unversehrt und überstanden den Schock mittels viel tröstendem Tequila. Das Haus war innerhalb von Minuten unbewohnbar geworden, und nach ein paar Nächten, die wir im Auto sitzend verbrachten, entschloss ich mich, meine beiden Kinder in Sicherheit zu bringen – zurück nach Vorarlberg.
Wie haben Sie diese plötzliche Neuorientierung bewältigt?
WOLF Es war ein Neustart in jeder Richtung. Ich kümmerte mich um die Erziehung der Kinder – die Ehe war inzwischen geschieden – und begann als Vocal Coach Pop-Gesang am Jazzseminar in Dornbirn zu unterrichten. Ich hatte zwar keinen Master einer Jazz-Akademie, aber durch meine Erfahrung in der Musikbranche gab ich meinen Schülern alles weiter, was mich das Leben und die Bühne gelehrt hatten. Und das mit großer Freude, 20 Jahre lang. Wichtiger als das hohe C zu singen war für mich, den jungen Menschen Mut zu geben, sich zu öffnen, aus sich herauszugehen, an sich zu glauben und dadurch den eigenen Stil zu finden.
Und das Schreiben von Songtexten ging auch hier weiter?
WOLF In den vergangenen Jahren entstanden viele Texte, u. a. auch in Deutsch für mein eigenes Album „mittendrin“. Mein letztes Werk war die Zusammenarbeit mit George Nussbaumer. Ich durfte seine Denkanstöße in zwölf wunderbare Titel verarbeiten. „Did Anybody Say It Would Be Easy“ heißt die erst kürzlich erschienene großartige CD.
Nochmals zum Song Contest, wo Österreich heuer wieder ein Waterloo erlebt hat: Was ging schief, dass Vincent Bueno den Einzug ins Finale verpasst hat?
WOLF Er hat sein „Amen“ authentisch und souverän gesungen. Aber bei so vielen unterschiedlichen Musikrichtungen weiß man nie, welcher Trend sich in diesem Jahr durchsetzt. Der Schwerpunkt beim ESC hat sich verschoben. Wertete man früher über den Song, die Stimme, die Performance, so zählt heute das Spektakel.
Zur Person
INA WOLF
Geboren 9. Oktober 1954 in Hard
Ausbildung Gesangsstudium in Innsbruck und Wien, Schauspielunterricht in Hollywood
Tätigkeit Internationale Auftritte im Pop-Rock-Bereich als Sängerin und Texterin, zahlreiche CD- Veröffentlichungen, Teilnahme am Song Contest 1979 für Österreich, Arbeiten als Text- und Songschreiberin
Familie Kinder Alexander und Angelina, wohnt in Wolfurt