Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Die Schande der Studenten

Kultur / 28.05.2021 • 18:17 Uhr

Wer die Möglichkeit hat, an einer Universität oder Hochschule zu studieren, gehört zu den Privilegierten, zu den besonders Bevorzugten. Nicht nur in Österreich – aber auch hier. Studentinnen und Studenten haben den Vorzug de späten Entscheidungen in der Berufslaufbahn, sie genießen die höchstmögliche Ausbildung im Staat, sie haben nach Abschluss des Studiums im Regelfall auch die besseren Chancen im Berufsleben. Und nicht zuletzt: Oft sind die Universitäten, vor allem über die studentischen Vertretungen der Hochschülerschaft, so etwas wie die Kaderschmieden für die politischen Parteien. Vergangene Woche war es wieder einmal soweit: Die alle zwei Jahre stattfindenden Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft fanden statt. Mit beschämendem Ergebnis.

Interessant war nicht so sehr die Mandatsverteilung auf die einzelnen wahlwerbenden Gruppen, sondern vielmehr die Wahlbeteiligung. Gerade einmal 15,8 Prozent der Studierenden suchten den Weg zur Wahlurne. Zum Vergleich: Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gingen immerhin noch 70 Prozent der sogenannten geistigen Elite unseres Landes zur Wahl, ab Mitte der siebziger Jahre pendelte sich diese Zahl bei 30 bis 35 Prozent ein, um 2017 auf 24 Prozent abzufallen, zwei Jahre später leicht auf 26 Prozent zu steigen und in der vergangenen Woche mit den genannten 15,8 Prozent den bisherigen Tiefpunkt zu erreichen. Wenn diese Zahlen das tatsächliche Interesse der Studenten an der Politik zeigen, dann ist es um die Zukunft dieses Landes nicht gut bestellt. Zum Vergleich: Bei der Nationalratswahl 2019 gingen immerhin fast 76 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne – und das war der zweitschlechteste Wert der Geschichte der Zweiten Republik. Es gab viele Klagen politischer Kommentatoren über die Wahlmüdigkeit und das mangelnde politische Interesse in der Bevölkerung. Was soll man aber dann zur Beteiligung bei den Wahlen zur Hochschülerschaft sagen?

Übrigens gab es natürlich auch ein Ergebnis: Wahlsieger war der Verband sozialistischer Studenten, der mit einem Viertel der Stimmen erstmals stimmenstärkste Fraktion wurde, die Grünen und Alternativen kamen mit fast 22 Prozent erstmals auf den zweiten Platz, während der bisherige Wahlsieger, die der ÖVP nahestehende Aktionsgemeinschaft mit 21 Prozente auf den dritten Platz abrutschte. Aber diese Zahlen sind angesichts der Wahlbeteiligung nicht wichtig. Denn von einer Vertretung der Studenten kann man bei 15 Prozent Beteiligung nicht sprechen. Und das ist eigentlich eine Schande für die Studenten.

„Gerade einmal 15,8 Prozent der Studierenden suchten den Weg zur Wahlurne.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.