Die erweiterte Realität

Kultur / 04.06.2021 • 17:12 Uhr
Auch die Kunstvermittlung wird zunehmend digitalisiert. MMMAD
Auch die Kunstvermittlung wird zunehmend digitalisiert. MMMAD

Der Österreicher Georg Fassl ist Teil eines Festivals, bei dem Digitales thematisiert wird.

Madrid, Wien Im Garten des deutschen Goethe-Instituts sind Instagram-Filter ausgestellt. Die digitalen Formen und Grafiken, die man einem Foto in einer Applikation zufügen kann, physisch darzustellen, war eine Herausforderung. Schließlich haben die Verantwortlichen auf den Steinbänken und Mauern QR-Codes angebracht. Durch das iPhone betrachtet erscheinen Skulpturen zwischen den Büschen und Bäumen. Die reale Umgebung wird digital angereichert.

Nach dem strikten Lockdown, in dem die Madrilenen Museen nur online besuchen konnten, arbeiten Kreative weiter an Möglichkeiten, Kunst dezentral zu präsentieren und dabei auch auf neue Formen künstlerischen Schaffens einzugehen, die Realität mit der virtuellen Realität zu verbinden. In Madrid fand den ganzen Mai über das MMMAD Festival für digitale Kunst statt. Auch der österreichische Architekt Georg Fassl war Teil davon. Auf Englisch spricht der 35-jährige Grazer über architektonische Philosophie. „Was wir sehen, versuchen wir in Worte zu fassen, aber die Beziehung zwischen dem Gesehenen und dem, was wir wissen, ist nie ganz klar“, zitiert er den britischen Kunstkritiker John Berger. Bei seinen Überlegungen bezieht sich Fassl auf zahlreiche Philosophen und Wissenschaftler, die seit jeher versucht haben zu erklären, wie unser Wissen zustande kommt und wovon es abhängt. So zitiert er auch Einstein, der sagte: „Die Vorstellung ist wichtiger als das Wissen.“ Daher kommt auch laut Fassl die Inspiration, Neues zu schaffen.

Es ist die goldene Stunde der Menschen, die zum Beispiel für Spezialeffekte in Kinofilmen verantwortlich sind. Der im Iran lebende Visual Effects Artist Hamid Ebrahimnia hat vier Werke für das Festival ausgewählt. Darunter ein Flugzeug, das unter der Golden Gate Bridge hindurchfliegt. Die Veranstalter präsentierten solche Arbeiten überall in der Stadt. Auf digitalen Werbetafeln neben der größten Einkaufsstraße ebenso wie auf kleinen Bildschirmen an Bushaltestellen flimmern dreidimensionale Gestalten, die ihre Form verändern und Gefühle darstellen.

Wie wir leben

Der Österreicher Fassl ist Gründer des Daedalus Observatory und Studio SOL (Spaces, Objects & Life) in Wien, wo er an Techniken der Architektur forscht, die sich um die Formen des Wohnens drehen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die neuen Technologien. „Dadurch können wir uns Träume erfüllen, aber wir entfernen uns gleichzeitig immer mehr von der Realität.“ Die digitale verschmilzt mit der realen Umwelt. So verändert sich die Wahrnehmung der Menschen, die scheinbar immer verbunden sind. Unter diesem Aspekt geht Fassl der Frage nach: „Wie leben wir?“ Der egozentrische Perspektive der Menschen setzt er das Universum entgegen: „Ich mache die Natur und die Natur macht mich“, diesem Gedanken folgend soll sich Architektur ebenso wie der Mensch öffnen, nicht sich selbst als ultimative Referenz nehmen, sondern sich in einen größeren Bezugsrahmen setzen. MH