Für Gott, Kaiser und Vaterland

Pfarrer Josef Fink war ein umtriebiger Mann. Er habe, stellte eine Zeitung zu Recht fest, „in seinem Leben eine rege und vielseitige Tätigkeit entwickelt“. Dies sowohl in seiner geistlichen Mission als auch in weltlichen Angelegenheiten. Für letzteres Engagement wurde er mehrfach geehrt und ausgezeichnet.
Geboren wurde Josef Fink am 5. September 1840 in Riefensberg als Sohn eines einfachen Holzarbeiters. Gymnasium und Priesterseminar absolvierte er in Brixen und wurde hier im Sommer 1865 zum Priester geweiht. Dazwischen besuchte er die Theologische Fakultät in Innsbruck. Hier schloss er sich 1859 einer akademischen Freiwilligenkompanie von 230 Professoren und Studenten an, die an die Tiroler Südgrenze ausrückte, um ein eventuelles Eindringen italienischer Truppen abzuwehren. In Kampfhandlungen wurden die Innsbrucker nicht verwickelt, bei Fink blieb aber eine lebenslange Begeisterung für das Schützenwesen und den Veteranenkult.
Wie die meisten Jungpriester mit dörflicher Herkunft musste der Riefensberger postenmäßig ganz unten anfangen; das heißt, geografisch ganz oben, nämlich als Pfarrprovisor in Warth, wo er zu Zeiten einer Epidemie auch die Pfarre Lech zu betreuen hatte. Als Pfarrhof fand er hier nur ein kleines altes Häuschen mit einem einzigen heizbaren Raum vor. Ein Neubau war ihm deshalb ein wichtiges Anliegen. In der Hoffnung, dass ihnen der umgängliche und dynamische junge Pfarrer erhalten bleibe, errichteten die Warther ein neues Pfarrhaus nach den Vorstellungen Finks. Zur Verbesserung der Einnahmen für die schlecht dotierte Pfarre wurde 1869 ein Haus mit neun Fremdenzimmern errichtet. Das war ein Vorgeschmack auf kommende Projekte, die Pfarrer Fink auch an seinen nächsten Seelsorgestationen betreiben sollte.
Von 1871 bis 1880 wirkte Josef Fink als Pfarrer von Laterns. Hier kam es nach harmonischem Start bald zu einem Zerwürfnis mit einem Teil der Schülereltern. Der neue Pfarrer hatte nämlich versprochen, dass die Kinder von Innerlaterns zum Religionsunterricht nicht mehr nach Thal-Laterns kommen müssten, sondern dass er einmal pro Woche in der dortigen Schule Unterricht erteile. Nach wenigen Jahren kränkelte der Pfarrer und wollte deshalb nicht mehr den wöchentlichen Weg taleinwärts auf sich nehmen. Und dies, obwohl ihm wegen seines früheren Entgegenkommens sein Gehalt erhöht worden war und er trotz Krankheit auf die Jagd ging.
Nach diesen Querelen folgte Pfarrer Fink 1880 gern dem Ruf der Gemeinde Mittelberg. Auch hier erwies er sich als ungewöhnlicher Seelsorger und erwarb sich einen besonderen Status über sein geistliches Amt hinaus. Im Kleinwalsertal hatte sich der wohlhabende Münchner Chemiker Dr. Hippolyth von Klenze niedergelassen, mit dem der Pfarrer nicht nur auf die Jagd ging. Mit ihm zusammen erarbeitete Pfarrer Fink in mehrjähriger intensiver Arbeit eine umfassende Geschichte des Mittelberg. Dazu war er einen Sommer lang ins Wallis gereist, um an mundartlichen Eigenheiten herauszufinden, aus welcher Gegend des Schweizer Rhonetals die Bewohner des Kleinwalsertals zugewandert waren. Das umfangreiche Werk, das 1890 im Druck erschien, markiert die erste fundierte Ortsgeschichte Vorarlbergs und ist heute noch aufgrund der zahlreich herangezogenen Originalquellen von Bedeutung. Zur feierlichen Präsentation dieser Pionierarbeit hatten sich die Autoren einen erhebenden Rahmen ausgesucht. Im Sommer 1891 wurde in Mittelberg, initiiert von Pfarrer Fink und einigen örtlichen Honoratioren, ein mehrtägiges „Dreifachfest“ inszeniert, dessen Anlässe vom forschenden Pfarrer erhoben worden waren: Feierlich erinnert wurde dabei der 600-jährigen Einwanderung der Walser, der 500-jährigen Errichtung der Pfarre Mittelberg und des 440-jährigen Übergangs des Tales an die Habsburger. Unausgesprochen aber feierten die Bewohner/innen des Walsertals den lang ersehnten Abschluss des Zollvertrags im Mai 1891. Weil man aber mit der Öffnung nach Bayern hin keinesfalls als unpatriotisch erscheinen wollte, wurde die Freude über die Zollbegünstigung nicht an die große Glocke gehängt.
Damit hatte Pfarrer Fink den Walsern seine Pflicht abgestattet und bewarb sich 1891 als Pfarrer nach Lingenau. Jetzt war der Vorderwälder nicht nur in seine nähere Heimat zurückgekehrt, er wandte sich auch neuen Aufgaben zu. Anlässlich seiner Ankunft in Lingenau wurde Pfarrer Fink „von 14 Zweispännern und 5 Einspännern in Oberstaufen abgeholt“ und ab dem Dorfeingang im Spalier der Schulkinder und Vereine zur Kirche gefahren.
An dieser seiner letzten Wirkungsstätte übernahm Fink mit großer Energie überregionale öffentliche Funktionen, reiste viel, belieferte das katholische Volksblatt mit Beiträgen und begab sich jährlich auf Kur, weil er an Rheumatismus litt. Durch 20 Jahre hindurch suchte er Linderung im böhmischen Karlsbad beziehungsweise in Würzburg. Hier hatte er von besonders wirksamen „elektrischen Bädern“ gehört. Technischen Innovationen gegenüber war er nämlich besonders aufgeschlossen. So besuchte er anlässlich einer Reise nach Karlsbad im Herbst 1896 die deutsche „Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung“ in Nürnberg und berichtete darüber ausführlich im Volksblatt. Besonders angetan hatten es ihm die Maschinenhalle, die elektrischen und telefonischen Anlagen, das Eisenbahnwesen und medizinische Apparate.
Seine Begeisterung für die Eisenbahn hatte der Pfarrer bereits seit 1893 verbreitet. Er war der Prediger für den Bau der Wälderbahn, von deren wirtschaftlicher Notwendigkeit er die skeptischen Bauern in zahlreichen Sitzungen, Versammlungen und Artikeln zu überzeugen versuchte.
Um seiner politischen Stimme Gewicht zu verleihen, kandidierte er 1896 erfolgreich für den Vorarlberger Landtag. Dabei wurde dem christlichsozialen Neoabgeordneten die Ehre zuteil, den Eröffnungsgottesdienst für die erste Landtagssession zelebrieren zu dürfen. Im Gremium selbst engagierte er sich besonders für landwirtschaftliche Anliegen. So machte er sich beispielsweise für die Gründung eines Sennereiverbandes stark.
Als überzeugender Redner war er bereits vor seiner Wahl ins Landesparlament geübt, hatte er doch schon bei festlichen Anlässen auch außerhalb seiner Pfarren gepredigt und war mehrfach als Fest- und Debattenredner bei öffentlichen Veranstaltungen hervorgetreten. Seinen größten Auftritt hatte er am 1. September 1909, als er bei der Jahrhundertfeier in Bregenz dem Kaiser „den untertänigsten Dank im Namen der Veteranen“ abstatten durfte. Die grausame Verwirklichung seines dabei abgegebenen Versprechens musste er – er verstarb am 19. Jänner 1914 – nicht mehr erleben. „Sollte Gefahr der erlauchten Dynastie oder dem Vaterlande drohen“, gelobte der Veteranenvertreter, dann „möge der Kaiser nur wieder rufen – die kräftige Jugend unseres Landes wird sich würdig zeigen ihrer Heldenahnen“. Der kurz danach von seinem „gnädigsten Friedenskaiser“ erklärte Krieg kostete gut 5000 Vorarlbergern das Leben.
Als Vertreter des politischen Katholizismus erfuhr der engagierte und streitbare Pfarrer unterschiedliche Bewertungen: In den eigenen Reihen wurden sein noch im Alter vorhandenes „jugendliches Feuer“ und der „liebevoll väterliche Humor“ geschätzt, während die politischen Gegner unterschiedliche Seiten des Pfarrers und Politikers sahen. Da war einerseits von „einer absolutistischen Herrschaft des Herrn Pfarrers“ die Rede; andererseits attestierte ihm ein liberales Blatt, Pfarrer Fink sei „eine sympathische Erscheinung eines Priestergreises und von ansprechender Mäßigung in seiner Rede“. Dass er kaum politische Berührungsängste hatte, bewies er darin, dass er 1900 als einer der einzigen Priester dem von liberalen Honoratioren gegründeten und dominierten „Landeshilfsverein vom Roten Kreuz“ beitrat.
Bis ins hohe Alter blieb Pfarrer Fink – nach eigener Zuschreibung – ein „Freund des Gewehres“: in jungen Jahren als Soldat und Jäger, später als oftmaliger Teilnehmer an Schießwettbewerben. Noch als 70-jähriger fuhr er zum Kaiserschießen nach Innsbruck.
Trotz seines intensiven öffentlichen Engagements und seines Hobbys war Fink ein „eifriger Priester und Seelsorger“. Als Bezirksobmann des Cäcilienvereins bemühte er sich um die Verbesserung des Kirchengesangs und in zahlreichen religionsbezogenen Reisen vertiefte er seinen Glauben. So nahm er an etlichen Katholikentagen teil und als Krönung an einer Pilgerreise nach Rom. Hier wurde er von seinem verehrten Papst Leo XIII. in Audienz empfangen. Thron und Altar waren seine unumstößlichen weltanschaulichen Eckpunkte, seine private Lebenshaltung und sein öffentliches Engagement vollzogen sich innerhalb dieses Bezugssystems, das er nach verschiedenen Seiten hin auslotete. Dem Kaiser diente er als Soldat und in bedingungsloser Treue, Gott gehörte sein tägliches Tun und Denken und fürs Vaterland engagierte er sich als Politiker und Geschichtsschreiber. Die Prophezeiung in seinem Nachruf indes, dass „sein Andenken bis in die spätesten Geschlechter fortdauern“ werde, war zu weit gegriffen. Aber eine Erinnerung ist dieser außergewöhnliche Pfarrer auch heute noch wert.

