Überrascht von der Geringschätzung von Kunst und Kultur

Kunst und Kultur sind in ihrer ganzen Vielfalt essenziell, erklärt Christoph Linher.
Feldkirch Inspiration findet der Vorarlberger Autor und Musiker hauptsächlich beim Gehen, weil es den geistigen Bewegungen entspricht.
Herr Linher, Sie treten seit längerer Zeit wieder öffentlich auf. Wie haben Sie die Zeiten des kulturellen Lockdowns erlebt?
Linher Ich war etwas über die Geringschätzung von Kunst und Kultur überrascht. Zu behaupten, sie gehörten nicht zu den systemerhaltenden gesellschaftlichen Funktionen, halte ich für falsch. Kunst und Kultur in ihrer ganzen Vielfalt sind essenziell.
Sie sind vor allem als Autor bekannt, haben für Ihre schönen Texte den Vorarlberger Literaturpreis bekommen und standen bereits zwei Mal auf der Shortlist des Alpha Literaturpreises. Wie sehen Ihre aktuellen literarischen Pläne denn aus?
Linher Ich habe zu Beginn dieses Jahres mit einem neuen Schreibprojekt begonnen, Auszüge davon werden im Rahmen der Veranstaltung am Samstag im Theater am Saumarkt zu hören sein. Zwischenzeitlich liegt es aber wieder etwas auf Eis, ich bin zurzeit eher buchstäblich auf Musik eingestimmt.
Sie beziehen sich auf Ihrer Homepage einmal auf den Schriftsteller Max Frisch, dass nämlich der Autor nur noch erleben will, worüber es sich dann auch zu schreiben lohnt. Was inspiriert Sie?
Linher In erster Linie Gehen. Es entspricht am ehesten den geistigen Bewegungen, und die Natur bietet immer wieder Anknüpfungspunkte für Bilder und Gedankengänge.
Als Musiker nennen Sie sich „Gone Boy“ und bringen den Begriff „Singer-Songwriter extended“ ins Spiel. Was ist damit gemeint?
Linher Ich ergänze Gitarre und Gesang durch zusätzliche Elemente wie Loops und perkussive Klänge, simuliere so in gewisser Weise eine kleine Band. Einige Lieder sind aber nach wie vor sehr rough und kommen ohne zusätzliche Instrumentierung aus.
Wie lassen sich literarische und musikalische Arbeit verbinden? Gibt es Poesie, die vertont wird, oder Musik, die nach einem Text verlangt?
Linher Ich denke, dass sich viele meiner Texte wesentlich an Rhythmus und Wortklang orientieren, insofern ist ihnen bereits etwas Musikalisches immanent. Das Ganze mit Songs zu verbinden, finde ich spannender als eine „klassische“ Lesung.
Sie haben bereits eine umfangreiche literarische Produktion. Gib es eine spezielle literarische Gattung, die Sie besonders reizt? Gibt es Themen, die Sie gerne bearbeiten oder noch bearbeiten wollen?
Linher Nun, so umfangreich ist meine Arbeit (noch) nicht, vor Jahren hatte ich eine sehr produktive Phase, in der ich einige Gedichte geschrieben habe, die auch in der einen oder anderen Weise Einzug in meine Debüt-Erzählung gefunden haben. Insgesamt aber liegt mir die erzählende Literatur näher, allerdings eine, die weniger auf eine Handlung, einen Plot fokussiert als auf die Sprache und welche Möglichkeiten sie bietet. Thematisch drehen sich viele meiner Texte um, wie soll ich sagen, Einzelkämpfer, die sich vor allem sprachlich an der Realität abarbeiten und so ihre Schlüsse ziehen.
Nobelpreisträger Bob Dylan hat gezeigt, welchen Stellenwert literarische Texte für seine Kunst haben. Wie kann man sich die Wertigkeit von Literatur und Musik in ihrer Arbeit vorstellen?
Linher In der Musik hat in erster Linie natürlich der reine Klang Vorrang, Musik ist viel intuitiver, kommt mehr direkt aus den seelischen Lowlands. Allerdings achte ich darauf, dass auch die Sprache meinen Vorstellungen von Ästhetik entspricht, ohne dem geht gar nichts. sab
Zur Person
Christoph Linher
Geboren 1983 in Bludenz
Ausbildung Studium Germanistik und Philosophie
Tätigkeit Schriftsteller, Musiker
Publikationen „Ungemach“, „Farn. Eine Erzählung aus dem Off“, „Das isolierte Individuum“, Beiträge in Anthologien
Christoph Linher meets Gone Boy, 12. Juni, 19.30 Uhr, Theater am Saumarkt, Feldkirch. Weiterer Auftritt: 17. Juni Gasthof Sonne in Thüringerberg.