Um einige Tausend Jahre zurückgeworfen

Das Steinzeit-Virus
Xavier Müller
Heyne
476 Seiten
Heute liest man Thriller mit anderen Augen.
Roman Über das Coronavirus wissen wir sehr viel, außer wie wir es so richtig in den Griff bekommen. Hätte man vor Jahren Szenen von Sanitätern in Schutzkleidung, die in ein Wohnhaus gehen, um dort die Insassen zu testen, literarisch verwerten wollen, wäre daraus ein SF-Roman mit geringem Anspruch entstanden. Auch ein einheitliches Tragen von Schutzmasken wäre vor einigen Jahren literarisch nicht vorstellbar gewesen. Aber so schnell kann es gehen und schon verschwimmen Fiktion und Realität. Ein kleiner Trost: Durch die letzten Monate kann man einer spekulativen Literatur durchaus mehr abgewinnen als früher. „Das Steinzeit-Virus“ von Xavier Müller besticht nicht durch brillante Formulierungen oder durch einen wahnsinnig versponnenen Plot, sondern es ist ein gut gebauter, auf wissenschaftlichen Fakten basierender Thriller. Xavier Müller ist studierter Physiker und verdient sein Geld als Journalist eines Wissenschaftsmagazins. So hat er den Vorteil, dass er die Fiktion bewusst so legt, dass sie glaubwürdig ist. Im „Steinzeit-Virus“ geht es um ein Virus, das seinen Wirt befällt und ihn einige Tausend Jahre zurückwirft, er verwandelt ihn nach einem kurzen Dämmerschlaf in die Urversion. Ein Vogel wird also in einen Flugsaurier verwandelt.
Rebellische Affenmenschen
Das Virus taucht zuerst im südafrikanischen Kruger-Nationalpark bei Elefanten auf. Es tötet seinen Wirt nicht in einigen Tagen wie Ebola, macht ihn auch nicht apathisch, sondern wuchtet das Opfer in ein vergangenes Jahrtausend und lebt dennoch in unseren Sphären. Im Thriller klingt das ganz passabel, den Vorwurf, einmal bei Jurassic Park zu landen, muss man nicht geltend machen, da Xavier Müllers Ansatz doch ein ganz anderer ist. Aber klar, die Katastrophe spielt mit, man stelle sich vor, 90 Prozent des Weizens mutiert in eine steinzeitliche für uns ungenießbare Form. Auch der Mensch steht seinem Ebenbild aus der Steinzeit gegenüber. Noch dazu einem Rudel Affenmenschen, die sich gar nicht in die Rolle braver Zootiere fügen wollen. Die Verantwortlichen greifen zu drastischen Mitteln, hoffentlich haben sie auch „Planet der Affen“ gesehen. mw