Ganz und gar nicht „boda gliich“

Meisterkonzert mit dem Originalklangensemble L’Europa galante.
Bregenz Sizilien hat nicht nur die Mafia hervorgebracht, sondern auch den 1961 in Palermo geborenen Violinisten und Dirigenten Fabio Biondi, einen der renommiertesten Barockgeiger unserer Zeit und Gründer des mittlerweile legendären Originalklangensembles L’Europa galante. Nach dem Ausfall letztes Jahr wurden die Bregenzer Meisterkonzerte nun mit diesen Stars der Alten Musik eröffnet, mit einem reinen Vivaldi-Streicherprogramm. Eine gewagte Programmierung, deren einzelne Nummern für die einen „boda gliich“ klangen, wie eine Stimme aus dem Publikum beim Hinausgehen bemerkte, die für feine Ohren aber zu einer Wunderkammer an kompositorischer Raffinesse, differenzierten Klangfarben, unterschiedlichsten Emotionen und stupender Virtuosität wurde.
Die acht Herren und sechs Damen des Ensembles begannen mit der Ouverture zur Oper „Dorilla in Tempe“: federnd und durchsichtig vom schwungvollen Beginn an, fantasievoll in der Gestaltung der Details und sehr homogen im Klang. Im Schlussteil gelang ein Überraschungseffekt, denn hier hat Vivaldi den Beginn des „Frühlings“ aus den „Quatro Stagioni“ wiederverwendet. Einziges Manko nicht nur hier, sondern durch das ganze Konzert: Das Cembalo war kaum hörbar.
Mit dem Violinkonzert in C-Dur, RV 189, zeigte sich Biondi nicht nur als Orchesterleiter von der Geige aus, sondern auch als Solist, mit makellos schönem Ton, artistischer Brillanz und im langsamen zweiten Satz mit seiner versponnenen Melodie von einer vergeistigten Innerlichkeit, die die Zeit stillstehen ließ – wie überhaupt die langsamen Vivaldi-Sätze zu den Perlen der Barockmusik zählen. Biondi verkörpert als Solist das, was im galanten Europa des 18. Jahrhunderts das Ideal des Höflings war: die „desinvoltura“, die lässige Eleganz, die noch die atemberaubendsten Schwierigkeiten wie mühelos erscheinen lässt. Einzig seine schwarze Fliege war am Ende ein wenig verrutscht.
Den Coronatoten gewidmet
Es ist schon erstaunlich, wie viele verschiedene Varianten Vivaldi dem Muster des dreisätzigen Violinkonzertes abgewinnen konnte: Im Konzert in F-Dur, RV 286, beginnt er mit pathetischen Orchesterschlägen, bevor die Melodie in Fluss kommt, im B-Dur Konzert, RV 371 mit einem aufsteigenden Dreiklangsmotiv, auf den er ein feines Gewebe aus verschlungenen Melodielinien folgen lässt, im h-Moll-Konzert, RV 390 mit düsteren Akkorden und einer leidenschaftlichen Melodie. Auch die Ouverture zu „Ercole sul Termodonte“ und das Streichkonzert in g-Moll, RV 152 erfreuten durch abwechslungsreiche Komposition, im Schlusssatz der Streichsinfonie versuchte sich Vivaldi sogar an einem bei ihm sehr seltenen Fugato. Nach dem kräftigen und langen Schlussapplaus widmete Biondi das traurig-schöne Adagio der Zugabe den Coronatoten. Es klang auf seiner Geige und mit den pizzicato-Tränen des Orchesters wie verhaltenes Weinen, eine ebenso noble wie menschliche Geste.