Mahnmal Hongkong
Hongkong gedachte als einzige chinesische Metropole der Toten des Massakers am Tianamnenplatz. Am 4. Juni 1989 wurden demonstrierende Studenten brutal von Panzern des kommunistischen Regimes niedergewalzt. Während in Festland China schon die Zahlen 4, 6 und 1989 als Hochverrat von der staatlichen Internet-Firewall gebannt werden, marschierten bislang Hunderttausende durch Hongkongs Straßen. Sie erinnerten mit Kerzen- und Smartphonelichtern an das blutige Verbrechen auf dem Pekinger „Platz des himmlischen Friedens“. Damit soll jetzt endgültig Schluss sein.
Der “Volkskongress” beendete das bei der Übergabe Hongkongs mit den Briten vereinbarte Prinzip “ ein Land, zwei Systeme” und setzte damit der Meinungsfreiheit und Demokratie in Hongkong ein Ende. Er verbot auch jedes Gedenken an 1989. So erging die Order an die nunmehr von Parteikadern besetzte Universität von Hongkong ihr als “ Säule der Schande” international bekanntes Kunstwerk des dänischen Kunstlers Jens Galschiot zu beseitigen.
Offenkundig macht die symbolische Kraft der beeindruckenden acht Mater hohen, zwei Tonnen schweren Betonskulptur mit ihren aufeinandergetürmten, ineinanderverkeilten und verzweifelten Menschen, die an die Sterbenden des 4. Juni erinnern, das kommunistische Regime hochgradig nervös. Die Skulptur selbst zu zerstören, traute man sich noch nicht. Die renommierte Anwaltskanzlei Mayer Brown wurde engagiert, den Künstler unter Druck zu setzen und die Skulptur zu entfernen.
Selbstredend, dass auch das kleine „4. Juni Museum“, der einzige Ausstellungsort auf chinesischem Territorium, der an den Massenmord und die Lügen der kommunistischen Machthaber erinnert, geschlossen wurde. Seine Unterstützer wurden verhaftet oder mussten ins Ausland fliehen. Aldous Huxleys Horrorvision einer “Brave New World“ lässt da längst grüßen.
Auf der Strecke bleibt auch Hongkong als die führende Kulturmetropole Asiens, die in den letzten Jahren mit der Kunstmesse Art Basel Hongkong und Topgalerien wie Zwirner, Pace oder Hauser und Wirth zur internationalen Kunstmarktdrehscheibe wurde. Künstler und Künstlerinnen fürchten sich zunehmend vor Zensur. Ob etwa Ai Wei Weis berühmtes Foto, auf dem er auf dem Platz des Himmlischen Friedens den Mittelfinger emporstreckt, in Zukunft gezeigt werden darf, ist zu bezweifeln. Internationale Galerien planen bereits ihren Umzug nach Seoul . Wohin Chinas ideologisch „richtige“ Geschichtsauffassung und staatlichen Erinnerungsverbote führen , sollte auch unseren „cancel culture“- und „political correctness-Fanatikern mit ihrem Verbotsgezeter zu denken geben. Denn ohne Freiheit, keine Kunst.
„Auf der Strecke bleibt auch Hongkong als die führende Kulturmetropole Asiens, die in den letzten Jahren zur internationalen Kunstmarktdrehscheibe wurde.“
Gerald Matt
gerald.matt@vn.at
Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.