„Es plagt mich die Sorge, wohin die Erde treibt“

Gerhard Winkler hat den Sonnengesang auf Glasbildern interpretiert und zu Erläuterungen angeregt.
Dornbirn „Ich möchte auf ein notwendig neues Naturverständnis und damit auf ein neues Bewusstsein hinweisen“, sagt Gerhard Winkler. Die Natur zeige auf, dass wir selbst Natur sind und dass wir uns selbst schädigen, wenn wir ihr Schaden zufügen. Das Leben nachhaltiger und im Einklang mit der Natur gestalten, weniger konsumieren und dennoch selbstbestimmt leben – diese Gedanken beschäftigen ihn in letzter Zeit besonders. Die Themen sind komplex, im Gespräch mit den VN bringen sie den anerkannten Dornbirner Künstler und erfahrenen Kunstpädagogen nicht in Verlegenheit. Schließlich geht es darum, sich aufzuraffen und zu tun. Jahrelang als Gymnasialprofessor und zudem in der Lehrerfortbildung tätig, bringt der gebürtige Wiener, der unter anderem bei Melcher und Boeckl studierte, seine Sorgen um die Zukunft zum Ausdruck.
Kritische Worte
Der Wert der intensiven Auseinandersetzung mit der Natur habe in den öffentlichen Diskussionen viel zu wenig Raum. Winkler nennt es nicht lapidar eine Naturverbundenheit, sondern meint die immer wieder neu zu entdeckende Natur, in der wir Geborgenheit finden können. Mangelnde Solidarität und oft fehlende Empathie führt er dabei nicht nur auf das individuelle Verhalten der Menschen, sondern auch auf ein von der Politik erzeugtes toxisches Klima zurück, in dem wir seit einiger Zeit leben. Leider seien auch die kirchlichen Vertreter – wie sich besonders in der Pandemie zeigte – nicht auf die Menschen mit ihren Sorgen und Irritationen zugegangen.
Schönheit der Schöpfung
Dass hingegen in der Spiritualität wie auch in der Kunst Sinnstiftung zu erfahren ist, das steht für Gerhard Winkler außer Frage. Er hat den Sonnengesang von Franz von Assisi, dieses Gebet aus dem 13. Jahrhundert, auf Hinterglasbildern neu interpretiert. Das Preisen der Schönheit der Schöpfung und der Dank an den Schöpfer werden in leuchtenden Bildern visualisiert, lassen die Augen auf den Details ruhen, erzeugen Stille. Die Hinterglasmalerei hat Winkler seit jeher fasziniert, der komplizierte Vorgang – umgekehrte Maltechnik, sicherer Bildentwurf – verlangt besondere Konzentration. Hier ist Fantasie und Imagination verlangt, die er beispielsweise beim Malen in freier Natur im Besonderen schult. Wer sich mit dem OEuvre von Winkler befasst, weiß, dass er immer wieder Orte aufsucht, um sie in seiner Bildsprache festzuhalten. Konkretes Interesse erfahren dabei die Riedlandschaft sowie Gebäude, etwa Industriebauten in Vorarlberg, die in wenigen Monaten oder Jahren verschwinden könnten.
Den Bildtafeln des Sonnengesangs ist auch ein Bildband in hervorragender Gestaltung gewidmet, den Gerhard Winkler im Bucher Verlag herausgebracht hat. Willibald Feinig hat die Texte neu übersetzt und seine Eingriffe, die vor allem eine begriffliche Nähe von Mensch und Natur verdeutlichen („Gelobt seist Du, mein Herr, von unserer Schwester, Mutter Erde, die uns trägt und lenkt . . .“), auch sinnvoll erläutert. Die Kunstexpertin Anita Götz-Winkler widmet sich Franz von Assisi sowie der mittelalterlichen Dichtung und deren heutiger bildlicher Umsetzung hochwissenschaftlich, aber allgemein verständlich aus kulturhistorischer Perspektive.
„Wir sollten das Staunen gegenüber der Natur lernen, spüren, eingebettet zu sein in Größeres.“
