Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Die Spur der Benediktiner

Kultur / 26.11.2021 • 20:06 Uhr

Das erste Adventwochenende scheint mir ein guter Termin für einen Hinweis auf ein Buch zu sein, das ich seit längerer Zeit – immer wieder – zur Hand nehme. Autor ist Paolo Rumiz, der als erfolgreichster Reiseschriftsteller Italiens gilt, der aber ebenso einer der führenden Autoren des Landes ist. Paolo Rumiz ist weit gereist, vor allem in Europa und natürlich in Italien. In „Der unendliche Faden – Reise zu den Benediktinern, den Erbauern Europas“ (erschienen im Folio Verlag)führt er uns durch alte Klosteranlagen, die uns trotz ihrer Nähe oft unbekannt bleiben.. Es ist ein großartiges Buch – zumindest wenn man einen Sinn für Klöster hat, für jene Orte, in denen die Zeit nicht die gleiche Gültigkeit hat wie außerhalb der Klostermauern. Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt über Rumiz: „Er erzählt vom Wahrnehmen, erschüttert und beinahe demütig – als existentiellem Erlebnis.“

Paolo Rumiz wandert zu Fuß, von Kloster zu Kloster. „Abteien muss man sich nähern wie ein Pilger. Man muss beobachten, wie sie langsam größer werden, man muss sich unterhalb von ihnen wie eine Ameise fühlen, geduldig die Pforte suchen.“ Ich kenne dieses wunderbare Erleben von griechischen Klöstern und Tempeln, die man nur wirklich erleben kann, wenn man sich ihnen zu Fuß nähert – wie ein Pilger eben. Und ich kenne es durchaus auch von Kirchen und Klöstern bei uns, wenn mir auch das Wissen von Paolo Rumiz fehlt, um die Klöster so wahrzunehmen. Manche seiner Ziele liegen uns nahe: St. Gallen, fast schon ein Hauskloster der Vorarlberger, im Südtirol Marienberg im Vinschgau und Muri-Gries bei Bozen, schließlich in Bayern St. Ottilien, Altötting und Niederaltaich, wo der Gottesdienst im orthodoxen Ritus gefeiert wird. Insgesamt sind es fünfzehn Klöster, sechs in Italien, drei in Deutschland, zwei in Frankreich, je eines in der Schweiz, in Belgien, in Ungarn und Österreich.

Das wirklich Schöne an diesem Buch ist, dass es nicht um eine Beschreibung der Klöster, nicht um eine kunsthistorische Annäherung geht, sondern um die persönliche Empfindung, die Paolo Rumiz bei jedem dieser besonderen Plätze beschreibt. Demut ist vielleicht ein Wort, das für seine Haltung stehen könnte, großes Wissen um die europäische Kultur und um die Verdienste der Klöster um diese Kultur ein anderes. Nicht zuletzt: Das Gespräch mit den Mönchen, das eine Ahnung von der besonderen Haltung dieser Menschen ahnen lässt. Und von Anfang bis Ende klingt als verbindendes Element der Gregorianische Choral durch dieses Buch – quer durch Europa.

„Er erzählt vom Wahrnehmen, erschüttert und beinahe demütig – als existentiellem Erlebnis.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.