39 Stufen, die sich lohnen

Kultur / 30.11.2021 • 21:44 Uhr
Für vier Schauspieler schuf Caro Stark insgesamt 39 Kostüme.

Für vier Schauspieler schuf Caro Stark insgesamt 39 Kostüme.

Caro Stark vom Ensemble Unpop hat in Konstanz einen toll inszenierten Krimikomödienklassiker ausgestattet.

Konstanz, Dornbirn Die Zahl bleibt gleich. Insgesamt 39 Kostüme hat Caro Stark entworfen, und das, obwohl die Produktion „Die 39 Stufen“ nur mit vier Schauspielern besetzt ist. Nein, das Theater Konstanz, von dem die Vorarlbergerin den Auftrag erhielt, agiert zurzeit nicht auf Sparflamme, wo man die von Patrick Barlow für die Bühne bearbeitete Kriminalkomödie nach dem Buch von John Buchan und dem Film von Alfred Hitchcock auch spielt, ist der Cast nie umfangreich, am westlichen Bodenseeufer mutet man dem Ensemble nur noch etwas mehr zu als in vielen anderen Fällen. Auch in den Wiener Kammerspielen ging es jüngst beispielsweise bei den im Jahr 1935 mit Robert Donat verfilmten „39 Stufen“ zwar rasant, im Vergleich dazu aber noch recht gemütlich zu.

Joachim Rathke, den Vorarlberger Theaterfreunden auch von Auftritten mit dem Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung in Dornbirn kennen, schöpft als Regisseur aus einem reichhaltigen Ideenreservoire und er vertraut dem Besetzungsgeschick von Intendantin Karin Becker in Konstanz, die ihm vier Künstler überlässt, die starke Charakterköpfe, Komödianten mit nahezu akrobatischen Fähigkeiten, gewiefte Akzentimitatoren und fitte Denker sind. Sein Konzept macht er jenem Teil des Publikums, dem die letztgenannte Fähigkeit der Akteure vielleicht nicht im selben Ausmaß zu eigen ist, gleich sehr gewitzt plausibel. Das im Theaterjargon als Vorbühnenstück konzipierte Werk spielt in der Tat ausschließlich dort. Der eiserne Vorhang klemmt, man muss auf kleinem Raum improvisieren, eine Aufführungsabsage ist nicht drin. „Ich brauche das Geld“, sagt Maelle Giovanetti und stellt damit den Bezug zu einer Zeit her, in der das Gros der Unterhaltungskünstler um jedes Engagement kämpfen musste, um wenigstens die Grundbedürfnisse abdecken zu können und Agententhriller dem Amüsement dienten. Geerdet mussten die Stücke nicht unbedingt sein, dass die Welt draußen oft noch böser ist als im Kino oder Theater wurde bzw. wird somit nicht als Realitätsverweigerung gesehen, der Qualitätsfaktor ermisst sich am Sinn für das bissig Anekdotische oder auch das Absurde und an der exakt gesetzten, gut aneinandergereihten Situationskomik. Diesbezüglich gibt es für „Die 39 Stufen“ in Konstanz einen Einser mit Stern.

Hitchcock-Plot schlechthin

Was den Grad der Überzeichnung betrifft, sind sich Joachim Rathke und Caro Stark absolut einig, auf der in Schwarzweiß gehaltenen Bühne, auf der die entsprechend bunt oder britisch bzw. schottisch kariert gewandeten Akteure Mobiliar und Versatzstücke wie etwa die verschiedentlich verwendbaren Theaterlogen, Türen und Fenster selbst zu bewegen haben, lügen, lieben und leiden auch dann noch Menschen aus Fleisch und Blut, wenn sich jener unbescholtene Richard Hannay, der durch Zufall in den Fokus von Gesetzeshüter und -brecher gerät, in skurrile Situationen manövriert. Es ist ein Hitchcock-Plot schlechthin, in den Szenen aus „Der unsichtbare Dritte“, „Das Fenster zum Hof“, „Der Mann, der zu viel wusste“ oder „Psycho“ hereinwehen bzw. als Schattenspiel oder über die Musik auftauchen, in der zudem noch weitere Filmklassiker zu erkennen sind.

Bis klar ist, wie es sich nun um die gestohlenen Dokumente aus einem Ministerium bzw. um eine Formel für einen lautlosen Flugzeugmotor verhält, gerät das Publikum mit Patrick O. Beck, Maelle Giovanetti, Miguel Jachmann und Dominik Puhl nicht nur in zahlreiche Turbulenzen, es erfährt, wie sich eine Illusionsmaschinerie in Gang setzt, die bei Verwendung von einfachen Mitteln allerdings nur derart spannungsreich funktioniert, wenn man wie hier in der Lage ist, punktgenau zu agieren.

Offen mit 2G-plus-Regel

Großer Jubel im Publikumsraum, der in Konstanz aufgrund der Pandemie nur zur Hälfte besetzt werden darf. Unsere Nachbarn lassen Kunst und Kultur zu, verlangen aber zusätzlich zur 2G-Regel einen aktuellen Test sowie das Tragen von Masken. Die Menschen akzeptieren es, sie werden auch in der Gastronomie und in den Geschäften (!) streng kontrolliert. Die Pandemie ist noch nicht überwunden, aber es gibt einen Ausweg, wer durch die Stadt mit ihrem historischen Zentrum, dem Konzil und dem Hafen spaziert, sieht neben den vielen Theater-, Konzert- und Ausstellungsplakaten mindestens so viele Verweise auf die Corona-Impfung und Wegweiser zu Teststationen.

Szene aus „Die 39 Stufen“ von John Buchan und Alfred Hitchcock in Konstanz.Theater/Ilja Mess
Szene aus „Die 39 Stufen“ von John Buchan und Alfred Hitchcock in Konstanz.Theater/Ilja Mess
39 Stufen, die sich lohnen

Zahlreiche weitere Aufführungen des Stücks “Die 39 Stufen” ab dem 3. Dezember. Strenge 2G-plus-Zutrittsvorschriften: theaterkonstanz.de