Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Nach 100 Budgetdebatten

Kultur / 19.12.2021 • 07:00 Uhr

Fast auf den Tag fünfzig Jahre sind es, dass ich mich zum ersten Mal in den Vorarlberger Landtag aufmachte, um dort die Budgetdebatte zu verfolgen. Seit damals habe ich keine mehr ausgelassen, keine Budgetdebatte im Dezember und auch keine Rechenschaftsdebatte im Juli. Somit habe ich – nach Adam Riese – hundert Kulturdebatten des Landtags gehört. Immer wurden diese Diskussionen nicht gerade auf höchstem Niveau geführt, aber in jedem Fall gaben sie mir über die Zeit einen guten Überblick über die Kulturentwicklung dieses Landes.

Es war im Dezember 1971 im alten Sitz der Landesregierung, im „Grauen Haus“ in der Montfortstraße – das neue Landhaus wurde erst 1981 eröffnet. So wie das Haus war damals auch die Kulturpolitik: altväterisch, konservativ und allem Neuen abhold. Trotzdem waren auch die Ausläufer der 68er-Jahre in leichten Wellen in Vorarlberg spürbar. „Flint“ wurde vom Land gerade abgewürgt, da traten die Künstler mit den Bregenzer Radspielen 1972 auf den Plan und brachten einen Hauch von zeitgemäßer Kunst. Deutlich gegen die konservativen Festspiele gerichtet, die in den Folgejahren auch ins Schleudern gerieten. Die Diskussionen im Landtag zu den Festspielen, getragen vor allem von Herbert Keßler und Arnulf Häfele, wurden zu Höhepunkten der politischen Auseinandersetzung. Mit dem Neubau des Festspielhauses kam die Änderung. Das Dreigestirn Rhomberg-Wopmann-Salzmann brachte die Festspiele in ungeahnte künstlerische Höhen. 1984 wurde Guntram Lins neuer Kulturreferent und brachte nicht nur frischen Wind, sondern auch liberales Gedankengut in die Kulturpolitik des Landes, damit auch in die Budgetdebatten im Landtag. Er wurde auch der Vater des Kunsthauses in Bregenz und vieler neuer Initiativen, die später von seinem Nachfolger, Hans-Peter Bischof, weitergeführt wurden. Bedeutende Kunstformen, etwa die Architektur, erlangten immer mehr internationale Bedeutung, große Investitionen, etwa in die inatura, das neue vorarlberg museum oder den Zubau zum Festspielhaus wurden getätigt, ebenso öffnete sich die Politik zeitgemäßen, kleinen, auch nicht immer leichten Kunstformen. In den Kulturdebatten spiegelte sich all das – und noch viel mehr – wider.

„Etwas mehr lebendigere Auseinandersetzung würde man sich nach hundert Debatten wieder wünschen.“

Wenn aber, wie am vergangenen Mittwoch, dem Kulturbudget eine nur bescheidene Erhöhung, sogar unter der Inflationsrate, zugestanden wird, dann ist es wieder an der Zeit, für mehr Kultur(geld) zu streiten. Das haben SPÖ, FPÖ und Neos auch ordentlich erledigt. Ordentlich ist das Stichwort: Etwas mehr lebendigere Auseinandersetzung würde man sich nach hundert Debatten wieder wünschen – sie würden auch der Kultur in diesem Land gut anstehen.

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.