Viereckige Seifenblasen und volle Kühlschränke

Reinold Amann und Marko Zink eröffnen das Jahr im Künstlerhaus.
Bregenz Mit einem prall gefüllten Haus startet die Berufsvereinigung ins neue Ausstellungsjahr. Während sich Reinold Amann mit seiner künstlerisch-naturwissenschaftlichen Arbeit zwischen Chaos und Ordnung bewegt, konstruiert und inszeniert der Fotograf Marko Zink die Wirklichkeit neu. Das brandneue Format „… im Erdgeschoss“ stellt dagegen nicht die klassische Ausstellung, sondern das Prozesshafte in den Fokus. Den Anfang machen die „End of Season Sculptures“ von Roland Adlassnigg.
Ordnung ist nicht nur das halbe Leben, sondern auch die halbe Kunst. Davon ist Reinold Amann überzeugt und erforscht in seiner Bild- und Textsprache in unterschiedlichen Medien den Prozess, wie aus dem Chaos als Ursprung Ordnung und Strukturen erwuchsen. Wie facettenreich die Welt „Zwischen Ordnung und Chaos“ ist, wie berechenbare Gesetzmäßigkeiten plötzlich doch unvorhersehbar werden, zeigt der 1954 in Feldkirch geborene Künstler auf. Sein zwischen wissenschaftlichen Untersuchungen und „zusammengebastelten“ (Amann), dynamisch-mechanischen Apparaturen mäanderndes Werk speist sich aus den vielseitigen Interessen des Künstlers.
Mit Physik und Mathematik befasst, sammelt er als großer Biologiefan seit 40 Jahren für das Wiener Naturhistorische Museum Kleinsäuger wie Mäuse, stieg jüngst in die wundersame, digitale Welt der Pixel ein und verarbeitet sogar Barbie-Puppen samt einem über 100-jährigen Ur-Ken zu einer Inszenierung des weiblichen Daseins zwischen Küche und Kirche. Von besonderem Zauber ist das Objekt „Platons Erbe“, das mittels Rotation und verschiedenen geometrischen, in Seifenlauge getauchten Drahtkörpern schillernde Seifenblasen erzeugt. Eigentlich sind es vielmehr hauchdünne Seifenhäute, die sich aufspannen – oder hätten Sie gewusst, dass es auch viereckige Seifenblasen gibt?
Schaut da ein Stück behaarte Extremität aus dem Kühlschrank? Eigentlich unmöglich. Kein normaler, erwachsener Mensch passt in einen Kühlschrank oder einen Geschirrspüler. Und selbst wenn, würde niemand freiwillig hineinkriechen. Schon gar nicht in einer leerstehenden, fremden Wohnung. Einer, der es doch getan hat, ist Marko Zink. „In der Maschine“ übertitelt er jene Fotografien, die heimlich, nach Wohnungsbesichtigungen entstanden sind, und nun gemeinsam mit einer Porzellanmaske, einem Reiseplattenspieler und einer Vinyltonbildpostkarte eine Inszenierung bilden. Zu hören ist die Stimme der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die einen eigenen, zu Zinks Werkreihe geschriebenen Text spricht. Auch für seine jüngsten Serien kocht der 1975 in Gaschurn geborene Fotograf sein analoges Filmmaterial ein, um damit besonders malerische Effekte zu erzeugen. Masken, Tiere, der Wald, das zutiefst Gekünstelte im Natürlichen, das Agieren zwischen scheuem Verstecken und provokantem Vorzeigen: Die Arbeiten entwickeln Themen und Motive weiter, wenn der Künstler in der Reihe „Als die Tiere den Wald verließen“ der Frage nachgeht, was einer ihres Umfeldes beraubten Kreatur noch bleibt, außer in die Stadt zum Anschaffen zu fahren.
Neues Ausstellungsformat
… im Erdgeschoss“ heißt es künftig im Zwei-Wochen-Takt und das neue Ausstellungsformat soll abseits der klassischen Artefakt-Präsentation Raum sein für Unfertiges und den Rahmen zum künstlerisch kollegialen Austausch bieten. Soweit das Konzept, das sich in der Premiere mit Roland Adlassnigg schon einmal gut und humorig anlässt. Die „End of Season Sculptures“ verströmen etwas wie Ausverkaufsstimmung, die durch das Kartonplakat „Kunst pro Kilo 9,90 Euro“ noch angeheizt wird. Aus den Resten und Materialien, die sich im letzten Jahr angesammelt haben, hat der Bildhauer neue Skulpturen geschaffen, geschweißt, geklebt, geschäumt, gehämmert und quasi die Negativform der „regulären“ Werke produziert.
Die ungewöhnlichen Objektarrangements umfassen Coladosen, ausrangierte und ausgebeulte Lieblingshosen, starr vor Epoxyharz, eine Autotür mit der Aufschrift „Ich bin nicht dick“, „Arbeitsunfälle“ wie die aus der Hand gefallene und losgegangene Pistolenschaumdose, Notizen, Lieferscheine, Skizzen samt Flecken vom Kaffeetisch, Schuhe, die sich von ihrer Sohle getrennt haben, ein lädierter Arbeitsoverall, mit heißem Draht oder Motorsäge geschnittene Bilder ohne Inhalt (oder Rahmen ohne Bilder?) und etliches mehr. Und zu jedem Teil weiß der Künstler eine kleine Geschichte zu erzählen.

Ausstellungen von Amann und Zink sind im Künstlerhaus in Bregenz bis zum 6. März 2022 zu sehen, „… im Erdgeschoss“ von Roland Adlassnigg bis 4. Februar.