Eigenwillig schöne Spurensuche

Kultur / 28.01.2022 • 17:46 Uhr
LöwenherzMonika HelferHanser191 Seiten

Löwenherz

Monika Helfer

Hanser

191 Seiten

Monika Helfer beschreibt in “Löwenherz” menschliche Bindungen.

Roman Vielleicht, weil es schön zum Schreibnamen Richard passt, vielleicht auch, weil das Kleinkind dem Bild eines tapferen Kerlchens entsprach – warum der Vater seinen Sohn Löwenherz nennt, erfährt man in Monika Helfers neuem Buch nicht, mit dem die Vorarlberger Schriftstellerin die mit „Die Bagage“ begonnene und „Vati“ fortgesetzte Familientrilogie abschließt. Ein Gefangensein, das mit der Legende des namensgebenden mittelalterlichen Königs in Verbindung zu bringen ist, kann erst für die Leser mitschwingen. Das ist womöglich das, worauf die Autorin hinaus will, die im Gespräch mit den VN (Ausgabe vom 22. Jänner) erwähnt, dass der Bruder „beim Schreiben nah bei ihr war“. Sie hatte ihn verloren, nachdem er sich im Alter von 30 Jahren das Leben nahm, nach der frühen Kindheit hat sie ihn vielleicht auch nie mehr gehabt. Nach dem Tod der Mutter sind die Geschwister, wie Helfer schon in „Vati“ erzählt, getrennt worden, Richard wächst zwar behütet auf, habe aber, wie sie meint, wenig Liebe erfahren, sei auf sich allein gestellt gewesen und bleibt es.

Als „sehr eigener Mensch“, als „komischer Vogel“ bestimmt er die Geschichte, in der sich einiges so zugetragen hat, in der aber auch sehr viel fiktiv ist. Man mag angesichts der Bekanntheit des Schriftstellerpaares Monika Helfer und Michael Köhlmeier daran interessiert sein, wie die Beziehung der beiden begann, die die Autorin mit nonchalanter Offenheit als Verhältnis abhandelt, das sich anbahnte als sie noch mit ihrem ersten Mann verheiratet war, man beobachtet aber auf jeden Fall mit zunehmendem Interesse die Spurensuche, die Helfer literarisch so eigenwillig schön darlegt. Immer wieder wird Köhlmeier, der viel mit Richard unterwegs war, nach dessen Reaktionen gefragt. Das macht die Erzählweise höchst spannend und das ist auch psychologisch im Sinne eines Nacherlebens interessant.

Berührende Nähe

Ein Kind, das auftritt, und das, wie Helfer erklärte, in der Tat eine fiktive Figur ist, wird zum Sujet, das Bindung und Sehnsucht thematisiert. Berührende Nähe und einen schützend distanzierten Blick lässt die Autorin faszinierend erfahren, die, wie es ihr eben eigen ist, nebenbei erwähnt, dass Richard diesem kleinen Mädchen, das er eine Zeitlang liebevoll umsorgt, Lou Reeds „Pale Blue Eyes“ als Schlaflied singt. „Löwenherz“ hat somit das Zeug, die großen Liebesgeschichten der Literatur auf besondere Art zu ergänzen. VN-cd