„Herr Lehrer, mine Flöte got numma!“

Kultur / 17.02.2022 • 18:54 Uhr
Tom Pegram ist als vielseitiger Musiker und Komponist bekannt. Beatrix Mathis
Tom Pegram ist als vielseitiger Musiker und Komponist bekannt. Beatrix Mathis

Als Amerikaner in Vorarlberg lebt Tom Pegram die Geschichte einer nachhaltigen Integration.

HOHENEMS Als junger Musiker verliebte sich Tom Pegram in die Hohenemserin Elke, die in North-Carolina ein Au-pair-Jahr verbrachte. Nach ihrer Heirat zog es die beiden nach Vorarlberg, wo Tom interessante Aufgaben als Pädagoge, Kirchenmusiker und Komponist fand.

 

Die entscheidende Wendung in Ihrem Leben war wohl 1978 der Ortswechsel nach Vorarlberg.

PEGRAM Es war eine andere Welt. In den Städten schien mir alles grau, die Leute waren verschlossen gegenüber Fremden. Dabei hatte ich nur fünf Monate Zeit, die deutsche Sprache zu erlernen, weil ich im Herbst an der Musikschule Dornbirn Kinder in Musik unterrichten sollte. Und der Dialekt war ein Kapitel für sich. Gleich in der ersten Woche kam ein kleines Mädchen zu mir und sagte: „Herr Lehrer, mine Flöte got numma!“ Ich verstand kein Wort und bat sie, das auf Hochdeutsch zu sagen. Die Kleine: „Des kann i nöd!“ Es dauerte lange, bis ich den heimischen Dialekt zumindest verstanden habe. Ihn selber zu sprechen, habe ich gleich gar nicht versucht. Man kann auch so ein guter Vorarlberger sein.

 

Wie lang hat es gedauert, bis Sie in Ihrem Umfeld zu Everybody’s Darling wurden?

PEGRAM Die Leute sind längst viel offener und herzlicher, heute ist auch alles bunt und modern. Ich liebe die Stadt Hohenems, wo ich seit 44 Jahren wohne, und fühle mich im Freundeskreis seit Langem gut aufgenommen, vor allem auch mit meiner Musik.

 

Sie besitzen eine enorme Spannweite zwischen klassischer Musik als Geiger und Dirigent oder Pop und Folk als Singer-Songwriter mit Gitarre. Wofür schlägt Ihr Herz?

PEGRAM Da gab es einen Zwiespalt, obwohl ich beides genauso gern gemacht habe. Auf der Uni hat der Geigenlehrer gesagt: „Du spielst zu viel Gitarre, Du musst mehr Geige üben!“, der Gitarrenlehrer aber sagte: „Tom, Du musst mehr Gitarre üben und weniger Geige!“ Die Entscheidung kam viel später, in den neunziger Jahren. Da hatte ich angefangen, sehr intensiv Gitarre zu spielen und nahm in einem Tonstudio in New York City meine erste CD „Celebration“ mit zwölf meiner besten Stücke auf.

Und das wurde dann zu einem durchschlagenden Erfolg?

PEGRAM Ja, ich habe gewusst, dass ich mit dieser CD den Durchbruch geschafft habe und mich im In- und Ausland als Sologitarrist behaupten konnte. Der Kultursender Ö1 hat wochenlang fast täglich Stücke aus meiner CD gespielt, und ich konnte über einen Vertrieb auch viel davon verkaufen und damit mehr als die Produktionskosten hereinbringen. Schon zuvor spielte der ORF öfter meinen Western-Titel „Flying Fiddle“ oder Nummern aus meiner LP „Someday“. Zuletzt erschien 2020 mein Doppelalbum „Guitar Art“ mit 30 Stücken. Aber am liebsten war es mir, auch in Vorarlberg meine Musik in Live-Konzerten zu präsentieren, so wie meine großen Vorbilder James Taylor, Gordon Lightfood oder Dan Fogelberg.

 

Sie sind dann doch wieder zu Ihren klassischen Wurzeln zurückgekehrt. Das begann 1986 mit der Gründung Ihres tollen Kammerorchesters „Camerata Rheintal“.

PEGRAM Ja, es war das erste Mal, dass etwa 25 Streicher aus Vorarlberg, Liechtenstein und der Schweiz gemeinsam musizierten, und zwar ohne Bezahlung, nur aus Freude an der Musik. Ich habe jedes Jahr zwei große Programme dirigiert und sogar eine Tournee in meine alte Heimat unternommen, wo meine ehemaligen Professoren von der Uni ganz schön gestaunt haben. Ich habe dafür auch eigene Kompositionen geschrieben, wie die „Air for Strings“. Nach zehn Jahren aber war das zu Ende, weil es bei vergleichbaren Orchestern Honorare für die Musiker gab.

 

In Widnau und Au haben Sie auch Ihre Liebe zu Kirchenchören und Orchestervereinen entdeckt und Chor-Orchestermessen komponiert.

PEGRAM Meine „Marien-Messe“ wurde 2018 erfolgreich aufgeführt. Inzwischen habe ich das nächste Werk fertiggestellt, eine „Deutsche Festmesse“. Wir sind am Proben, die Uraufführung wird aber erst im Herbst 2023 sein.

Thomas, einer Ihrer beiden Söhne, hat Österreich 2004 mit der Boy­group „Tie Break“ beim Song Contest vertreten. Wie stolz ist man da als Vater?

PEGRAM Unendlich stolz. Es war für ihn eine tolle Erfahrung im Showbusiness. Thomas spielte schon mit sechs Geige, dann Klavier, Gesang und Gitarre am Jazzseminar Dornbirn und hat auch komponiert. 2012 war er auch beim RTL-Wettbewerb „DSDS“ und ist unter die Finalisten gekommen. Und ganz ohne Vaterstolz: Dieter Bohlen hat zu ihm gesagt: „Du bist der beste Musiker von allen!“

 

Haben Sie selber auch Hits geschrieben?

PEGRAM Nicht bewusst. Aber einmal als 20-Jähriger habe ich in einem Kaffeehaus gespielt, da kam ein Mann und sagte: „Was kostet es, dieses Lied, das sie gerade gesungen haben, auf eine CD zu bringen?“ Ich sagte, das muss arrangiert werden mit Streichern, Studiokosten, alles zusammen zweitausend Dollar. Am nächsten Abend hat er mir das Geld gebracht, in kurzer Zeit war der Song im Kasten und lief regelmäßig in der lokalen Radiostation, vor allem dann, wenn ich auf der Fahrt zur Uni im Autoradio meine Musik hören konnte.

Zur Person

TOM PEGRAM

Geboren 1954 in Winston-Salem

Ausbildung Studium an der Winthrop-University, South Carolina/USA

Tätigkeit Auftritte und CD-Veröffentlichungen als Singer-Songwriter, Gitarrist und Geiger; Direktor, bzw. Lehrer an den Musikschulen Dornbirn, Rankweil, Heerbrugg, Bregenz, Widnau; Komponist von Chor- und Orchesterwerken, Dirigate