„Es ist mir wichtig, mich laut und kritisch zu äußern“

Kultur / 07.03.2022 • 21:44 Uhr
Grischka Voss: „Ich wollte eine Heldin erschaffen, die ganz offensiv ihre Lust auslebt.“ Palffy
Grischka Voss: „Ich wollte eine Heldin erschaffen, die ganz offensiv ihre Lust auslebt.“ Palffy

Aufgrund ihres Wunsches nach Selbstbestimmung arbeitet Grischka Voss in der freien Theaterszene.

Andelsbuch, Feldkirch Mit “Bulletproof” ist die Grischka Voss demnächst in Vorarlberg. Zum Thema weibliche Lust soll auch ein Buch erscheinen.

 

Frau Voss, Sie haben in New York studiert, sind Schauspielerin, haben 1997 das Bernhard Ensemble in Wien gegründet, Bücher und Stücke geschrieben, Regie geführt. Wo liegt Ihr Schwerpunkt heute?

Voss Ich würde mich als freie Geschichtenerzählerin bezeichnen, die soziale Missstände und Probleme in ihren Arbeiten thematisiert. Dies tue ich sowohl als Autorin als auch als Darstellerin. Da ich jedoch das von mir mitbegründete Bernhard Ensemble verlassen musste, bin ich seit 2017 sozusagen meine eigene One-Woman-Company und muss sehr hart darum kämpfen, eigene Projekte zu realisieren.

 

Das Stück „Bulletproof“, das Sie für das Theater Drachengasse in Wien umgesetzt haben, handelt von weiblicher Lust. Ihre Protagonistin nennt die Dinge beim Namen, ist hemmungslos und sehr witzig. Was ist Ihre künstlerische, aber auch gesellschaftspolitische Intention?

Voss Bei “Bulletproof” war sozusagen der Trigger das Scheitern meiner Langzeitbeziehung. Ich hatte danach gewissermaßen ein großes Nachholbedürfnis und war schockiert, wie schnell ich plötzlich als Frau mit wechselnden Sexualpartnern zur Persona non grata wurde und das im 21. Jahrhundert. Eigentlich aus einer großen Wut heraus habe ich begonnen, mich intensiv mit der Lust der Frau, auch im historischen Sinne, zu befassen. Bei den Recherchen ging es natürlich auch um den weiblichen Körper. Ich wollte eine Heldin erschaffen, die ganz offensiv ihre Lust auslebt und genauso präpotent und explizit über ihre One-Night-Stands parlieren kann wie so viele männliche Pendants dazu. Nur mit dem Unterschied, dass ihre Thesen zum Thema Sex witzig und voller Selbstironie sind. 

 

Warum haben Sie sich für die freie Theaterszene entschieden? Geht es um künstlerische Selbstbestimmung und Unabhängigkeit?

Voss Ja, der Wunsch nach künstlerischer Freiheit und Selbstbestimmung waren die Gründe, warum ich mich relativ bald für die freie Theaterarbeit entschieden habe. Es ist mir wichtig, mich zu den Themen, die ich relevant finde, laut und kritisch äußern zu können ohne Einschränkungen, und unabhängig zu bleiben. Das Format des Ein-Frau-Stücks habe ich für “Bulletproof” gewählt, weil es mir wichtig war, eine Einzelkämpferin zu zeigen, mit der sich jede Frau identifizieren kann, und es gibt mir als Künstlerin die Möglichkeit, relativ einfach mit dem Stück herumzureisen, um es möglichst vielen Frauen zu zeigen.

 

Sie haben ein Buch über Ihre Kindheit und Jugend geschrieben: „Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Erinnerungen eines Gauklerkindes“. War es für Sie selbstverständlich, denselben Beruf wie Ihr prominenter Vater Gert Voss zu ergreifen?

Voss Die Frage nach der Berufswahl in Bezug auf meinen Vater kommt natürlich immer. Da ich, wenn man so will, in einer sehr theatralen Umgebung aufgewachsen bin, war es für mich ganz natürlich, Schauspielerin werden zu wollen. Die Tatsache, dass meine Eltern das partout nicht wollten, hat mich als Jugendliche schwer vor den Kopf gestoßen und dazu geführt, dass ich erst recht und sehr beharrlich bei diesem Plan geblieben bin und sehr hart darum gekämpft habe, ihn auch umzusetzen.

 

Was haben Sie als nächstes Thema vor? Womit wollen Sie sich beschäftigen?

Voss Im Moment arbeite ich parallel an der Fertigstellung eines Romans, der die Geschichte der Figur Amanda aus “Bulletproof” beleuchtet. Gleichzeitig habe ich mit den Recherchen für ein neues Stück begonnen, in dem es um ein noch größeres Tabuthema geht: Die Frau im Wechsel. Es wird dringend Zeit, dieses Thema, das komplett negativ besetzt ist, ins Rampenlicht zu zerren, darüber aufzuklären und die Vorzüge zu beleuchten! Sab

Aufführungen von „Bulletproof“ von und mit Grischka Voss, 18. März, 20 Uhr, Kulturbahnhof Andelsbuch; 19. März, 19.30 Uhr, Theater am Saumarkt Feldkirch.