Ein Hauch von Freiheit und Abenteuer

Kultur / 18.03.2022 • 18:12 Uhr
Augustin Wiedemann: „Das ist wie ein zweites Zuhause hier mit tollen Freundschaften und musikalischen Begegnungen.“ c. lang
Augustin Wiedemann: „Das ist wie ein zweites Zuhause hier mit tollen Freundschaften und musikalischen Begegnungen.“ c. lang

Augustin Wiedemann sieht nach der Reformierung des Konervatoriums innovativen Studienangeboten entgegen.

FELDKIRCH Der Münchner Augustin Wiedemann ist ein international gefragter Konzertgitarrist mit breitem Spektrum. Seit zehn Jahren wirkt er als Dozent einer Gitarrenklasse am Landeskonservatorium.

 

Wie kam es damals zu dieser Verpflichtung nach Feldkirch?

WIEDEMANN Ich habe vor ungefähr 20 Jahren schon einmal in Vorarlberg gespielt und hatte eigentlich seitdem das Landeskonservatorium auf dem Schirm. Als die Gitarrenstelle ausgeschrieben wurde, war gleich klar, dass ich mich da bewerben werde. Und der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen funktioniert an diesem kleinen Haus sehr gut, auch wenn bei der Gitarre stets ein kleiner Hauch von Freiheit und Abenteuer dabei ist. Das ist gut so.

 

Wie groß, wie erfolgreich ist Ihre Klasse?

WIEDEMANN Es sind immer so um die zehn, zwölf Leute. Einer meiner Studenten kam letztes Jahr bei einem großen, wahnsinnig schweren internationalen Wettbewerb ins Halbfinale. Aber für mich persönlich zählt es mindestens genau so viel, wenn meine Studierenden nach ihrem Abschluss eine schöne Stelle an einer Musikschule bekommen, immer noch viel Spaß an der Musik haben und das Kulturleben im Ländle bereichern. Das sehe ich dann auch als großen Erfolg.

 

Sie selber haben in Ihrer Geburtsstadt Deggendorf mit sieben Jahren die Faszination der Gitarre entdeckt. Wer hat Sie in Ihrer Ausbildung geprägt?

WIEDEMANN Ich hatte das große Glück, mit meinem ersten „klassischen“ Lehrer Dieter Witzke einen sehr genauen, auch sehr strengen Mentor zu haben. Eliot Fisk am Mozarteum war dann das genaue Gegenteil – immer mit einer unglaublichen Freiheit in seinem Spiel und Denken. Das waren schon prägende Figuren für mich. Auch Nikolaus Harnoncourt hat mich als Lehrer sehr begeistert, seine Kurse am Mozarteum waren legendär.

 

Es gibt wenige Instrumente wie die Gitarre, auf dem man ein so breites Spektrum an Stilen entfalten kann.

WIEDEMANN Diese Offenheit war natürlich immer schon das Besondere an der Gitarre, nicht umsonst ist sie das populärste Instrument weltweit. Musikalische Grenzen und Scheuklappen habe ich noch nie akzeptiert. Ich kann mich stundenlang in einer Partitur von Beethoven verlieren, dann wieder von der Genialität eines scheinbar „einfachen“ Pop-Songs total begeistert sein oder in meinem Duo mit Kosho, der auch am Kons lehrt, die Grenzen des Repertoires erweitern. Auch meine CDs reichen von Bach und Froberger über klassische und südamerikanische Gitarrenmusik, Chansons, Jazzbearbeitungen und Popsongs, afrikanische Musik bis hin zu für mich komponierten zeitgenössischen Stücken.

 

Sie sind vielfach ausgezeichnet worden, haben 1992 den 6. Internationalen Gitarrenwettbewerb von Havanna gewonnen, wie ist das abgelaufen?

WIEDEMANN Damals war ich ja noch am Anfang meines Studiums in Salzburg. Ich konnte da nur auf Empfehlung von Leo Brouwer teilnehmen und war der Einzige, der noch keinen internationalen Wettbewerb gewonnen hatte. In Kuba hatte ich dann einen richtigen „Lauf“, das Publikum hat meine ausdrucksvolle Art zu spielen sehr gut aufgenommen. Es haben mich da allen Ernstes Leute gefragt, wie man als Deutscher so gut kubanische und spanische Musik spielen kann. Ich habe denen dann gesagt, dass die Bayern die Südländer Deutschlands sind (lacht).

Sie geben Meisterklassen, unterrichteten auch an großen Häusern wie dem Mozarteum Salzburg, dem Royal College of Music in Stockholm – wo fühlen Sie sich wirklich „Zuhause“?

WIEDEMANN Mittlerweile fühle ich mich Vorarlberg sehr verbunden. Das ist schon wie ein zweites Zuhause hier mit vielen tollen Freundschaften und musikalischen Begegnungen.

 

Und jetzt setzen Sie nächste Woche in Feldkirch einen besonderen Markstein mit der Verpflichtung des amerikanischen Gitarren-Gurus Andrew York für eine Meisterklasse.

WIEDEMANN Ich kenne Andy schon seit Mitte der Neunziger, als er noch sehr aktiv mit dem Los Angeles Guitar Quartet war, aber auch schon als Solokünstler und vor allem auch als Komponist gefeiert wurde. Seit damals ist der Kontakt nie abgerissen. 2017, als ich als Solist und Juror zum weltweit renommiertesten klassischen Gitarrenevent, der GFA Convention in Kalifornien, eingeladen war, verbrachte ich eine fantastische Zeit in Los Angeles bei ihm und seiner Frau.

Was zeichnet diesen Meistergitarristen aus außer seinem Grammy, den er 2004 gewann?

WIEDEMANN Andrew York ist einer der charismatischsten Künstler, die ich kenne. Jedes Mal, wenn ich ihm beim Spielen zusehe und zuhöre, bin ich absolut gebannt von seiner Ausdrucksintensität. Etwas, das er wie kein anderer erreichen kann, ist eine völlig entwaffnende Natürlichkeit, eine anscheinende „Einfachheit“ im Ausdruck, die natürlich am Schwersten überhaupt zu erreichen ist. Seine Kompositionen sind teilweise um Dimensionen schwerer zu spielen, als sie sich anhören. An den Musikschulen, nicht nur in Vorarlberg, sind seine Stücke für die Unter- und Mittelstufe äußerst beliebt.

 

Wie läuft so eine Meisterklasse ab, wie kann man sich das vorstellen?

WIEDEMANN An zwei Tagen werden im Konservatorium Studierende unserer Gitarrenklassen von Andy öffentlich unterrichtet. Dazu sind alle interessierten Zuhörer herzlich willkommen. Da sollten gar keine Berührungsängste aufkommen, denn das ist wirklich ein wahrscheinlich unwiederholbarer Event.

 

Was können junge Leute profitieren, die da mitmachen?

WIEDEMANN Es wird für alle sehr spannend werden, so einen Ausnahmekünstler live zu erleben und ihm vorspielen zu können. Als Komponist kann er den Studierenden auch noch viele Zusatzinformationen und Anstöße zur Interpretation dieser Stücke geben.

 

Wie beurteilen Sie die Aufwertung des Konservatoriums zur Privat-Hochschule im Herbst?

WIEDEMANN Mit der Neugründung der Stella Privathochschule haben wir dann noch viel mehr Möglichkeiten, spannende und innovative Studienangebote zu entwickeln. Ich werde auf jeden Fall bleiben.

Zur Person

AUGUSTIN WIEDEMANN

GEBOREN 1965 in Deggendorf

AUSBILDUNG Mozarteum Salzburg (großes Konzertdiplom mit Auszeichnung)

TÄTIGKEIT Internationale Auftritte als Gitarrist solistisch, als Kammermusiker und mit Orchestern; Lehrtätigkeit, seit 2011 am Landeskonservatorium, Meisterklassen, div. CD-Veröffentlichungen

FAMILIE verheiratet, 4 Kinder

22./23. März, 10 bis 12 Uhr, 14 bis 17 Uhr: Meisterklasse Gitarre mit Andrew York, Landeskonservatorium Feldkirch; 25. März, Solokonzert Andrew York in Gamprin.