Abgründige Schönheit im Kunstraum Dornbirn

Kultur / 24.03.2022 • 12:00 Uhr
Abgründige Schönheit im Kunstraum Dornbirn
Das Environment, das der polnische Künstler Robert Kuśmirowski für den Kunstraum Dornbirn geschaffen hat, hat es in sich. VN/Steurer

Robert Kuśmirowski schafft im Kunstraum Dornbirn mit „Dustribute“ eine postapokalyptische Szenerie.

Dornbirn Der Kontrast könnte nicht größer sein: Draußen ein strahlender Frühlingstag, drinnen ein postapokalyptisches Szenarium.

Das Environment, das der polnische Künstler Robert Kuśmirowski für den Kunstraum Dornbirn geschaffen hat, hat es in sich – umso mehr in diesen Tagen, in denen Bilder der Zerstörung und atomare Bedrohung unsere Gedanken okkupieren. Als der 1973 in Lodz geborene Künstler seine Ausstellung konzipierte, war das alles noch weit weg, ja geradezu undenkbar. Kuśmirowski hat sich mit aufwendigen Inszenierungen, perfekten Repliken und minutiösen Nachbildungen vergangener Stätten, Objekte und Räume, in denen er besonders den White Cube immer wieder negiert und in einen atmosphärisch-aufgeladenen Ort verwandelt hat, einen Namen gemacht.

Als Kuśmirowski die Ausstellung konzipierte, war der Krieg noch undenkbar.
Als Kuśmirowski die Ausstellung konzipierte, war der Krieg noch undenkbar.

Gänzlich anderer Natur waren die räumlichen Vorgaben in Dornbirn. Für Kuśmirowski war mit dem Raum, dessen totale Klarheit ihn „wie ein Magnet fesselte und zwar auf der Stelle“ und den er nicht mehr nachbauen musste, schon so etwas wie eine Vorwegnahme der Ausstellung. Das machte seinen eigentlichen künstlerischen Eingriff in der Halle aber nicht einfacher, im Gegenteil. Der Kopf, so der Künstler im Interview mit Kunstraum-Direktor Thomas Häusle, schreie geradezu, was man mit diesem Potenzial alles machen könne. Und das Schlimmste sei die Tatsache, dass er jeden Tag neue Lösungen für denselben Raum entwickeln könnte. Mit der raumgreifenden Installation „DUSTribute“ konnte Kuśmirowski ein Projekt realisieren, das sich einreiht in jene ausgesuchten Kunstraum-Produktionen, die in einer besonders virtuosen Verbindung mit dem Raum verschmelzen.

Den Stacheldrahtzaun hätte es vielleicht gar nicht gebraucht. So wenig einladend und düster scheint die Szenerie dahinter. Eine in Nebelschwaden gehüllte, unwirtliche dünenartige Landschaft aus Sandhügeln, im Halbdunkel steht ein Mann im Schutzanzug und Gasmaske mit einem seltsamen Gerät, während im hinteren Teil der Halle die Fenster der Holzbaracke erleuchtet sind. Das von einem an Maschinengeräusche erinnernden Sound untermalte Bild einer Welt wie nach dem Fallout basiert auf einer Szene aus dem Sci-Fi-Filmklassiker „Stalker“ des sowjetischen Regisseurs Andrei Tarkovski von 1979. Der Film spielt in der „Zone“, einem paranormalen Ort, an dem die Naturgesetze durch unbekannte Ursache außer Kraft gesetzt sind. Nur einige Schmuggler, „Stalker“ genannt, wissen um die geheimen Wege in die bewachte Zone, wo sie nach kostbaren Artefakten suchen und im „Raum der Wünsche“ die sehnlichsten Begehren in Erfüllung gehen.

Mit „DUSTribute“ entwickelt Kuśmirowski keine zukunftsgerichtete Utopie, sondern richtet seinen Blick einmal mehr in die Vergangenheit. Wie er im Gespräch erzählt sind es das 19. und das beginnende 20. Jahrhundert sowie die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, die ihn faszinieren. Aufgeladen mit persönlichen Erinnerungen und Überlieferungen verwebt er historische, filmische und erzählerische Referenzsysteme miteinander. Besonders geprägt hat ihn wohl sein Kränkeln in der Kindheit, die ein Kampf ums Überleben und von langen Krankenhausaufenthalten bestimmt war. In jener Zeit hat er begonnen, gegen die Langeweile im Krankenbett anzuzeichnen und darin eine Fertigkeit entwickelt, die von seinen aus dem Arbeitermilieu stammenden Eltern wenig goutiert wurde. Mit Beharrlichkeit hat Kuśmirowski sein Ziel, Künstler zu werden, verfolgt, hat schließlich Kunst studiert und unterrichtet an einer Kunstakademie.

Das aus der Zeichnung stammende Arbeitsprinzip, das man vage als Kopieren und „Fälschen“ beschreiben könnte, hat er höchst erfolgreich, mit großer handwerklicher Könnerschaft und Materialkenntnis auch ins Medium Installation übertragen. Mit großer Präzision baut er Objekte und ganze Räume nach, und arbeitet mit Versatzstücken aus der Vergangenheit. So bedrückend die Welt im Kunstraum auch erscheint, die unheimliche Ästhetik und die abgründige, geheimnisvolle Schönheit des Gesehenen faszinieren. Sie bescheren starke Bilder, die auch in der Frühlingssonne noch lange nachwirken. Ariane Grabher

Die Ausstellung ist im Kunstraum Dornbirn, Jahngasse 9, Dornbirn, bis zum 29. Mai geöffnet, täglich von 10 bis 18 Uhr.