Frau, wo denkst du hin

Kultur / 24.03.2022 • 19:18 Uhr
Mutter und Tochter reflektieren offen und humorvoll ihr eigenes Scheitern auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. mark mosman
Mutter und Tochter reflektieren offen und humorvoll ihr eigenes Scheitern auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. mark mosman

Lachen kann man. Aber was dieheroldfliri mit „Aberland“ gekonnt beißend zeigt, ist nicht witzig.

Feldkirch Lichter an und schon kommen sie, Helga Pedross und Maria Fliri alias Mutter und Tochter, besser bekannt als Elisabeth, die Mutter, und Franziska, die Tochter. Beide in gestreiften Jumpsuits, turnen sie in einem gewieften Bühnenbild von Caro Stark wie Artistinnen auf die Bühne im Alten Hallenbad in Feldkirch. Im Hinterkopf beginnt das typische Zirkusgedudel den Takt vorzugeben. Denn es ist ja eigentlich wirklich ein Zirkus, den so viele Frauen Tag für Tag aufführen müssen. Es ist ein Kunststück, das kaum jemandem gelingen kann, außer Superwomen und Co. vielleicht, alles unter einen Hut zu bringen und dabei auch noch gut auszusehen.

Damit sind wir schon mitten im Thema: Gertraud Klemms „Aberland“, das die heroldfliri-Theaterkompagnie für die Bühne adaptiert hat. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die österreichische Autorin mit Auszügen aus ihrem Roman beim Bachmann-Preis-Lesen zu Gast war. Bei den Kritikern fiel sie durch. Typisch feministisch, zu schwarzmalerisch, das, was sie zeichne, das sei doch eben so. Ja, stimmt, das, was Gertraud Klemm da schreibt, ist vielerorts eben so. Das ist ja das Problem. Beim Publikum übrigens stieß der Text auf Anklang und „Aberland“ ging mit dem Publikumspreis aus dem Rennen.

„Die Frau von…“

Aber zurück zum Stück. Elisabeth und Franziska sind Mutter und Tochter. Die eine 59, die andere Mitte 30. Kurt, der Vater, steht kurz vor der Pension. Tom, der Schwiegersohn, ist ein sportlicher Tiroler und ein so wunderbarer Vater. Ach, was hat Franziska da doch Glück gehabt. Meint man von außen. Von innen betrachtet, also aus Franziskas Perspektive, sieht das schon etwas anders aus. Warum ist es eigentlich so selbstverständlich, dass sie zu Hause blieb, als der kleine Manuel kam? Warum bügelt und putzt sie, warum bekommt sie den Erfolgsabfall ab, während Tom die Karriereleiter hochkraxelt? Sportlich ist er ja bekanntlich. Wer sieht eigentlich noch Franziska in ihr und nicht nur „die Frau von“. Ähnlich und doch ganz anders sieht es bei Elisabeth, der Mutter, aus. Arbeiten musste sie nicht mehr, als die Kinder kamen. Sie hat es doch schön. Sie habe doch alles, was sie wolle. „Ja, nur was ich wollte, war eben nicht viel“, hält sie dem entgegen. Dass Kurt, ihr Mann, eine kleine Affäre nach der anderen hatte, das muss man einem so erfolgreichen Mann schon nachsehen. Naja.

Was bei „Aberland“ wunderbar gelingt, ist das Gegeneinanderführen verschiedener Lebensentwürfe. Das zeichnet den Kontrast zwischen dem Innen und Außen scharf nach. Das zeigt auf, was „von den anderen“ bis heute von Frauen erwartet wird und was so kaum ohne Selbstverleugnung zu erreichen ist. Hübsch auch die kleinen Buchsbäume, die in Form getrimmt werden und so zur Metapher für die Ansprüche werden, die die Frauen zu erfüllen haben, um den Schein zu wahren. Jetzt ist es so, dass „Aberland“ als Text schon einfach gut ist. Da zieht das Stück in der Regie von Barbara Herold glasklar mit. Toll gespielt von Helga Pedross und Maria Fliri, ist es beißend komisch und nie platt. Lachen kann man, ja. Aber es schmerzt auch immer ein bisschen. Gutes Theater. Also, Manege frei, Licht an, Applaus!

Das Stück „Aberland“ ist noch am 25., 26., 29. und 30. März, jeweils um 20 Uhr, und am
27. März, um 17 Uhr im Alten Hallenbad Feldkirch zu sehen. www.dieheroldfliri.at