Musik als lebenslanger Begleiter

Kultur / 25.03.2022 • 18:24 Uhr
Wolfgang Schwendinger hat schon früh seine Liebe zur Musik und zum Singen entdeckt, die ihn bis heute nicht losgelassen hat. D. Mathis
Wolfgang Schwendinger hat schon früh seine Liebe zur Musik und zum Singen entdeckt, die ihn bis heute nicht losgelassen hat. D. Mathis

Der Bregenzer ist seit Jahrzehnten ein Chorleiter vom alten Schlag, mit Herz und Verstand.

BREGENZ Man kann sich Wolfgang Schwendinger gar nicht anders vorstellen als in seiner gewohnten Umgebung: im Kreise von Sängern jeden Alters, die er ausbildet oder dirigiert. Was ein Nikolaus Harnoncourt, ein Erwin Ortner in ihm geweckt haben, wirkt auch nach über 40 Jahren fort, in zwei Kirchenchören und seinem Vokalensemble KornmarktChor.

 

Können Sie sich vorstellen, jemals etwas anderes geworden zu sein als Pädagoge und Chorleiter?

SCHWENDINGER Musik begleitet mich durch das ganze Leben. Ich durfte als jüngstes von sieben Kindern das Marianum in Bregenz besuchen, und schon damals wurde die Liebe zur Musik und zum Singen deutlich, als man mich als Bub vor die Klasse gestellt hat, um Lieder einzustudieren. So entwickelte sich meine Leidenschaft zum Chorgesang und zum Dirigieren und ließ mich nicht mehr los.

 

Logisch wäre für Sie eigentlich ein Musikstudium gewesen – warum ist es nicht dazu gekommen?

SCHWENDINGER Es lag nahe, nach Wien zu gehen, aber aufgrund des frühen Todes meines Vaters entschied ich mich für die Lehrerausbildung, einen „g‘hörigen“ Brotberuf, an der PädAk, wo ich viele musikalische Impulse mitbekam. Mein Mentor Wolfgang Lässer holte mich nach dem Abschluss sofort an die neu gegründete Musikhauptschule Bregenz, wo sich durch diesen speziellen Schultyp spannende Herausforderungen boten.

 

Sie nennen oft Nikolaus Harnoncourt als Vorbild, auch die Chorgröße Erwin Ortner hat ihre musikpädagogische Arbeit geprägt. Wie hat sich das auf Ihre spätere Arbeit ausgewirkt?

SCHWENDINGER Spät, aber doch ereilte mich mit 33 Jahren der Ruf zum Militärdienst, den ich durch meine Trompetenkenntnisse in Wien bei der Gardemusik absolvieren konnte. Dort holte mich dann Erwin Ortner zum berühmten Arnold-Schönberg-Chor, mit dem ich unvergessliche Aufführungen unter Nikolaus Harnoncourt, aber auch Claudio Abbado oder Ulf Schirmer erleben konnte. Das projektbezogene Arbeiten des Chors inspirierte mich nach meiner Rückkehr zur Gründung eines eigenen Chores nach gleichem Modell, was damals in Vorarlberg noch neu war.

 

Und für den gab es dann auch gleich besondere Aufgaben?

SCHWENDINGER Durch Theaterdirektor Bruno Felix hatten wir die Chance, für die damals neue Koproduktion des SOV und des Vorarlberger Landestheaters den Opernchor zu stellen. So gründete ich 1992 als überregionales Projekt den „KornmarktChor“. Es folgten 17 erfolgreiche Opernproduktionen und fünf Operetten im Rahmen der Bregenzer Festspiele in enger Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Christoph Eberle und den Regisseuren Bruno Felix und Kurt Sternik.

 

Gab es für Sie und Ihren KornmarktChor weitere besondere Eindrücke?

SCHWENDINGER Unvergesslich sind die großen Konzerte mit dem SOV unter Christoph Eberle wie Beethovens 9. Symphonie, Mahlers 3. Symphonie oder Haydns „Schöpfung“ sowie das Verdi-Requiem als Festspielkonzert mit Wayne Marshall und den Symphonikern, für die ich jeweils die Choreinstudierung übernehmen durfte. Aber auch die zahlreichen schönen Produktionen, die ich selber dirigieren durfte, z. B. bei der Schubertiade mit berühmten Interpreten, bei der Konzertreihe Musik in Herz-Jesu mit Bachs Johannes-Passion, dem „Stabat mater“ von Rossini. Ein besonderes Geschenk war meine absolute Lieblingsmesse Schubert Es-Dur anlässlich meines runden Geburtstags in Wien, die ich in der Schubertkirche Lichtental mit Rainer Honeck als Konzertmeister dirigieren durfte. Die Messgestaltung im Kloster Mariastern Gwiggen mit befreundeten Musikern der Wiener Symphoniker unter Konzertmeister Christian Birnbaum ist ein Fixpunkt jeden Sommer.

 

Im praktischen Umgang mit Ihren Chören haben Sie vorwiegend mit Amateuren oder semiprofessionellen Sängern zu tun. Was ist da qualitativ möglich?

SCHWENDINGER Im Wort Amateur steckt bereits das Wichtigste: die LIEBE zum Singen und zur Musik. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mit meinen Chören, sei es der KornmarktChor, die Kinderchöre oder auch die beiden Kirchenchöre Herz-Jesu Bregenz und Hohenems St. Karl, eine sehr hohe Qualität erreicht werden kann. Außerdem beflügelt das Bewusstsein, im Land von Mozart, Schubert, Haydn zu leben, die musikalische Arbeit mit den Sängern jeden Alters.

 

Dieser Aspekt war Ihnen stets auch im Unterricht ein Anliegen?

SCHWENDINGER Ich wollte immer schon Kinder für diese Werte begeistern, dadurch ergab sich für meinen Chor der Musikmittelschule Bregenz-Stadt die einzigartige Möglichkeit, bei den Bregenzer Festspielen mitzuwirken. Wer bei Produktionen wie „La Bohème“ (2001/02) oder „Carmen“ (2017/18) auf der Seebühne live mitsingen und -spielen durfte, wird das wohl ein Leben lang nicht vergessen.

 

Die Familientradition des Singens wird bei Ihnen weitergeführt durch Ihren Sohn Johannes, der als professioneller Bassist unterwegs ist?

SCHWENDINGER Es sind erfüllende Momente, bei denen ich mit meinem Sohn musizieren darf – wenn er denn Zeit hat (lacht). Dass er die professionelle Sängerlaufbahn eingeschlagen hat und erfolgreich ist, freut mich für ihn und macht mich glücklich und stolz. Mein Neffe Michael, ehemaliger Wiener Sängerknabe, ist ebenfalls als Sänger gefragt, unterrichtet auch ein paar Stunden an meiner Schule, vielleicht tritt er in meine Fußstapfen.

 

Sie treten also mit Ende des Schuljahres in den Ruhestand? Was haben Sie danach für Pläne?

SCHWENDINGER Ja, ich werde heuer ein Jahr später in den „Unruhestand“ gehen. Im Herbst findet ein Jubiläumskonzert mit dem KornmarktChor statt, und weitere musikalische Ideen gibt es noch genug.

 

Beim nächsten Konzert mit Ihrem KornmarktChor kommt Haydns „Stabat mater“ zur Aufführung –
in welchem Geist?

SCHWENDINGER In dieser Zeit von Pandemie und Krieg ein solch tiefgründiges Werk über den Schmerz der Gottesmutter unter dem Kreuz Jesu aufzuführen, ist eine besondere Herausforderung. Gemeinsam mit wundervollen Solisten und Helmut Binder an der Orgel möchten wir eine innige Konzertstunde zur Einstimmung in die Passionszeit bieten.

Zur Person

WOLFGANG SCHWENDINGER

GEBOREN 1956 in Dornbirn, wohnt in Bregenz

TÄTIGKEIT Musikpädagoge; Leiter von Kirchenchören; Gründer und Leiter des KornmarktChores Bregenz; Dekanatskantor Bezirk Bregenz

FAMILIE verheiratet

Sonntag 3. April, 20 Uhr, Basilika Rankweil: „Stabat mater“ von Joseph Haydn (Vokalensemble KornmarktChor, Leitung Wolfgang Schwendinger)