Von der Macht der Wörter

Kultur / 25.03.2022 • 16:54 Uhr
Von der Macht der Wörter

„Muttersprache“ wurde in Südtirol bereits mehrfach ausgezeichnet.

Roman Wer in Südtirol Urlaub macht, der behält die Hauptstadt Bozen mit ihrer pittoresken Laubengasse, dem Obstplatz und dem Alpenpanorama meist in schöner Erinnerung. Doch Paolo Prescher hat von seinem Geburtsort, den er als beengend und deprimierend empfindet, die Nase ebenso voll wie von seiner nervigen Mutter und seiner verlogenen Schwester. Kaum mit der Schule fertig, packt er seinen Rucksack und setzt sich ab nach Berlin. Paolo Prescher ist die Hauptfigur in Maddalena Fingerles Debütroman „Muttersprache“. Diejenige des jungen Mannes ist Italienisch, die Mehrheitssprache in Bozen aber ist Deutsch, dritte Amtssprache ist Ladinisch, eine Variante des Rätoromanischen. Die Deutschen sprechen einen für Paolo unverständlichen Dialekt, und die Italiener sprechen das Italienische falsch aus. Die angebliche Zweisprachigkeit der Südtiroler ist für Paolo nur Fiktion, weil die wenigsten Menschen wirklich zwei Sprachen beherrschen. Aber nicht nur deshalb wird Sprache für Paolo zur Obsession. Ihn quälen die „dreckigen Wörter“. Das sind für ihn Wörter, die nicht das sagen, was sie sagen sollen.

Auch die 1993 geborene Autorin ist eine Italienisch-Muttersprachlerin aus Bozen, ihr Nachname stammt von einem Münchner Urgroßvater. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität München. „Muttersprache“ wurde mehrfach ausgezeichnet. Er ist keine Abrechnung mit Südtirol und auch kein Lobgesang auf Berlin, sondern ein Buch über die Wirkungsmacht der Sprache.

“Muttersprache”, Maddalena Fingerle, Folio Verlag, 180 Seiten.