„Medienkompetenz wird zum Wunschdenken“

Der Musiker George Nussbaumer spricht über seine Arbeit auf der Theaterbühne und über den Umgang mit sozialen Medien.
Bregenz Wer mit George Nussbaumer (geb. 1963) spricht, gewinnt den Eindruck, dass er neben der Präsentation einer neuen CD auch seine gesammelten Eindrücke veröffentlichen sollte. Wie geht es jemandem, der blind ist, neben Menschen, die den Anschein erwecken, dass ein Leben ohne die intensive Nutzung von sozialen Medien keines mehr ist? „Die Welt ist optischer geworden“, sagt er, „ich müsste mir alles vorlesen lassen und sehe ohnehin nicht, wenn etwas aufpoppt.“ Twitter hatte er zwar einmal abonniert, dann aber wieder abbestellt: „Ich will nichts generell verurteilen, aber die enorme Gefahr der Oberflächlichkeit ist gegeben und zwei Begriffe sind mittlerweile zu streichen: Vorfreude und Warten. Man muss auf nichts mehr warten. Das ist schade.“
Eine kleine Warnung schwingt mit, denn wer George Nussbaumer mit dem Begriff Medienkompetenz kommt, die man sich aneignen kann, den konfrontiert er mit der Erkenntnis, dass sie mittlerweile zum „Wunschdenken“ wird. „Wir können uns einen vernünftigen Umgang aneignen, aber so, wie Medien auf uns wirken bzw. mit uns umgehen, wird das immer heftiger. „Ich sehe das direkt, weil ich oft mit jungen Menschen zu tun habe.“ Dass mittlerweile davon ausgegangen wird, dass eine Fernsehserie von 45 Minuten zu lang ist, erschreckt ihn: „Ich möchte Gerhard Polt zitieren, der meinte, dass Kunst eine Riesenmenge an Konzentration verlangt, von dem, der sie macht, von dem, der sie ausübt und von denjenigen, die sie konsumieren. Sollen Künstlerinnen und Künstler jetzt darauf Rücksicht nehmen, dass sich die Leute nicht mehr konzentrieren wollen?“
Auf der Bühne in „Don Quijote“
Auf der Bühne des Theaters Kosmos, auf der er noch bis 28. Mai in „Don Quijote“ spielt, genießt er diese „eigene und echte Welt, in der es auch einmal langsam zugehen kann“. Vor Jahren hat er in einer Produktion des Vorarlberger Ensembles Sonus Brass als Erzähler mitgewirkt, eine weitere wird schon konzipiert. Bei der Gelegenheit möchte er auch eine Lanze für Louis Braille brechen, ohne dessen Blindenschrift seine Teilhabe am kulturellen Leben kaum möglich wäre. „Da gibt es auch eine Parallele zu Don Quijote, sein Werk war ebenfalls ein Kampf gegen Windmühlen, eine Schrift für Blinde hatte man damals nämlich nicht für notwendig erachtet.“
Demnächst geht es auch wieder auf die Konzertbühne. Die Pandemie habe Probleme verdeutlicht, die vorher schon da waren, aber übersehen wurden, betont er. Dabei geht es ihm um die Fokussierung der Pflegeberufe, deren hoher Wert sich gezeigt habe, die aber von der Gesellschaft immer noch zu wenig geschätzt werden.
„Zwei Begriffe sind mittlerweile zu streichen: Vorfreude und Warten. Das ist schade.“