Radelnd die Geschichte erkunden

Kultur / 03.06.2022 • 20:40 Uhr
Per QR-Code ist an Hörsteinen Erzählungen von Schicksalen zu begegnen.
Per QR-Code ist an Hörsteinen Erzählungen von Schicksalen zu begegnen.

Auf rund 100 Kilometern von Bregenz bis Partenen realisiert das Jüdische Museum Hohenems sein bislang größtes Projekt.

Hohenems Einmal sind es Erzählungen, dann wieder regelrechte Hörspiele oder Zitate wie jenes von Willy Geber, der nach seiner Flucht in die Schweiz im August 1938 ein „Wir haben es geschafft!“ nach Wien übermittelte, wo sich noch Tausende Österreicherinnen und Österreicher damit befassen mussten, dass sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit bzw. ihrer jüdischen Herkunft im Land nicht mehr erwünscht sind bzw., dass ihnen unmittelbare Nachbarn nach dem Leben trachten. Nicht nur die Grenze zwischen Vorarlberg und der Schweiz war in den Jahren zwischen 1938 und 1945 ein „dramatischer“ Ort, erklärt Hanno Loewy. Fluchtwege hat es bis ins Montafon gegeben. Einige der Schicksale sowie Namen von Opfern, denen die Flucht nicht gelang, sind in verschiedenen Publikationen dokumentiert, einige sind noch kaum bekannt. Das wird sich ändern. Bei Radtouren am Alten Rhein, die der Direktor des Jüdischen Museum in Hohenems vor zwei Jahren öfter unternahm, weil auch das Museum pandemiebedingt schließen musste, waren die Schicksale wieder gegenwärtig.

Insgesamt 52 Hörstationen

Ein Vermittlungsprogramm im öffentlichen Raum wurde konzipiert und mit seinem Team konkretisiert. Nach zahlreichen Gesprächen mit Bürgermeistern, Abklärungen bei Behörden, intensiven Recherchen bis hin zur Übertragung einer Doktorarbeit vom Tschechischen ins Deutsche, um der Spur eines Flüchtenden bis nach Gibraltar zu folgen, wo ihn die Schweizer Behörden nicht mehr ausliefern konnten, sowie Verhandlungen mit Verantwortlichen in der Schweiz konnte mit der Umsetzung des Projektes „Über die Grenze“ begonnen werden. Es ist wohl das umfangreichste, das das Jüdische Museum Hohenems bislang realisiert hat. An insgesamt 52 Hörstationen, von denen sich die meisten auf der Radroute Nr. 1 zwischen dem Bodensee und der Silvretta befinden, werden die Schicksale erfahrbar. Und zwar per QR-Code, der sich auf einer grenzsteinartigen Skulptur befindet, die mit dem Namen von Geflohenen und Opfern versehen ist. Erzählt wird auch von Hilda Monte, die im Widerstand gegen die Nationalsozialisten tätig war, einmal auch Vorarlberg aufsuchte, und wenige Tage vor Kriegsende bei der Rückkehr in die Schweiz an der Grenze Feldkirch-Tisis erschossen wurde.

Die Liste der Kooperationspartner bis hin zum Vorarlberg Tourismus und Schweizer Gemeinden ist lang. Eine Publikation zur Vertiefung über diese Form der Erinnerungskultur ist geplant, die die bisherigen Gedächtnisorte ergänzt.

„Viele Geschichten von Menschen auf der Flucht fanden wir in Schweizer Verhörprotokollen.“

Entlang der Radroute Nr. 1 vom Bodensee bis zur Silvretta werden insgesamt 52 Hörstationen installiert. jmh
Entlang der Radroute Nr. 1 vom Bodensee bis zur Silvretta werden insgesamt 52 Hörstationen installiert. jmh
Im Rappenwald bei Tisis wurde die Flüchtende Hilda Monte erschossen.
Im Rappenwald bei Tisis wurde die Flüchtende Hilda Monte erschossen.

Die Eröffnung der Hörroute soll am 3. Juli erfolgen. Zum Projekt wird eine umfangreiche Publikation erscheinen, außerdem ist eine Reihe von Veranstaltungen geplant.