Uns genügen Politiker
In diesen Tagen wird von den verschiedenen großen Kulturereignissen des Jahres bekannt gegeben, wer bei ihnen zum Auftakt die Festrede hält. Da gibt es immer klingende Namen, die das jeweilige Festival einbegleiten, die Grundsätzliches zur Zeit und zum Thema einbringen. Bei der Frankfurter Buchmesse, die im Oktober über die Bühne geht und den Schwerpunkt auf der Literatur Spaniens hat, werden Irene Vallejo und Antonio Muñoz Molina ans Pult treten. Irene Vallejo ist klassische Literaturwissenschaftlerin und verbindet aktuelle Themen mit Erkenntnissen aus der antiken Welt. Antonio Muñoz Molina ist ein hochdekorierter Autor, der unter anderem den Staatspreis für spanische Literatur erhielt. Von diesen beiden kann man also etwas erwarten.
Auf Aktuelles kann man auch in Salzburg hoffen, wo Intendant Markus Hinterhäuser den bulgarischen Autor Ilija Trojanow eingeladen hat. Trojanow zählt als Mahner für Toleranz und Diskurs nicht nur zu den bedeutendsten, sondern auch engagiertesten Schriftstellern unserer Zeit. Er hat also der Welt, die derzeit verrückt spielt, etwas zu sagen.
Nicht so bei den Bregenzer Festspielen. Da wird es niemanden geben, der uns etwas zu unserer Zeit und zu dieser Welt erklären wird. Denn da gibt es keine Festrednerin, keinen Festredner. Die Zeiten, in denen wir bei der Eröffnung großen Worten zuhören konnten, sind längst vorbei. Alfred Wopmann hat das gemacht, nach seiner Intendanz ist das alles sanft entschlafen. Keine Dichterinnen und kein Dichter mehr, keine Wissenschaftlerin und kein Wissenschaftler, keine bedeutenden Kulturmenschen, die uns etwas Grundsätzliches mitgeben auf dem Weg in die Festspiele. In Bregenz genügt man sich sozusagen selbst.
Der alte Trott wird so weitergehen, wie wir ihn seit vielen Jahren gewohnt sind. Bei der Eröffnung wird zuerst der Präsident der Festspiele begrüßen, dann spricht die Kulturministerin und schlussendlich der Bundespräsident. Und die Rednerin und die Redner, so fürchte ich, werden wieder von Puppenspieler Nikolaus Habjan von ihren Plätzen abgeholt und mit mehr oder weniger heiteren Bemerkungen zum Rednerpult gebracht werden. Nicht dass Habjan nicht gut wäre – aber irgendwann verliert die beste Idee bei steter Wiederholung an Originalität. Gleiches gilt für die ewig gleiche Rednerliste. Da würde man sich eben jemanden wünschen, der die eingefahrenen Gleise verlässt, der uns, die wir gemütlich in den Sesseln des Festspielhauses sitzen, aufweckt, aufrüttelt und in neue, noch nicht gedachte geistige Sphären führt. Von Politikern darf man das nicht erwarten, eine Festrednerin, ein Festredner wären dazu vielleicht in der Lage.
„Von Politikern darf man das nicht erwarten, eine Festrednerin, ein Festredner wären dazu vielleicht in der Lage.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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