Die große Kunst der kleinen Form

Die Reihe „Zeitklang“ im Vorarlberg Museum als wichtiger Gradmesser für neue Trends.
Bregenz Zu einer Art künstlerischer Seismograph für Aktivitäten der heimischen Komponistenszene hat sich in den letzten Jahren die Reihe „zeitklang im museum“ entwickelt. Dort nutzt man die Anwesenheit der Symphoniker im Land, um in zwei Auftritten des „Wiener Concert-Vereins“ als deren Kammerformation neue Musik aus dem Land bekanntzumachen.
Der Zufall wollte es, dass beim zweiten Konzert heuer gleich drei neue Werke von aus Vorarlberg stammenden Komponisten ihre Uraufführung erlebten. Es waren Arbeiten in großer Vielfalt und von enormem Einfallsreichtum, die sich auch im Kontext mit Werken der beiden Komponisten aus dem übrigen Österreich nicht zu verstecken brauchten. Wohltuend auch, dass man sich die Zeit nahm, bei diesem von der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössischen Musik (ÖGZM) mitveranstalteten Abend für eine ausgesprochen kompetente und feinsinnig erarbeitete Wiedergabe zu sorgen, was zuletzt nicht immer der Fall war.
Entscheidend war wohl, dass man die Leitung des 15-köpfigen Streicher-Kammerensembles erstmals dem in Vorarlberg tätigen versierten Musiker und Dirigenten Thomas Gertner anvertraute, der sich in dieser Funktion mehrfach beim heimischen „ensemble plus“ bewährt hat und auch hier mit kompakten Ergebnissen überrascht. Es ist ihm gelungen, mit diesen hoch qualifizierten Musikern in angemessenen Probenzeiten ein Maximum an Innenspannung und äußerer Wirksamkeit herzustellen, wie man bereits beim Opener mit „Gespinst“ des Dornbirners Thomas Thurnher konstatiert. Das war nun quasi dessen „zweite Chance“, wie Manfred Welte in seiner launig-routinierten Moderation festhält, denn es geht um eine Uraufführung der Neufassung des vor zwei Jahren hier vorgestellten Werkes.
Zart gesponnene Ideen-Fäden
Durch Veränderungen in der Instrumentierung ist dieses Nachtstück nun griffiger geworden, ohne seinen Grundduktus als fragiles Gebilde aus zart gesponnenen Ideen-Fäden zu verlieren, das in kleinräumigen Motiven seine Wirkung entfaltet. Zu einer besonderen Kostbarkeit entpuppt sich ein Werk der in Wien lebenden, international renommierten Bregenzer Komponistin Johanna Doderer.
Für die exponierten Soli am ersten Pult ihres Streichsextetts hat man als Gast den fabelhaften Symphoniker-Konzertmeister Nikolay Orininskiy eingeladen. Wenn man weiß, dass Doderer erst im Vorjahr in München mit Erfolg ihre neue Oper „Schuberts Reise nach Atzenbrugg“ herausgebracht hat, klingt dieses Sextett wie ein Nachklang dazu – warm, weich, voll klassischer Romantik und durchwebt vom Geist Schuberts, ohne dabei in ein einziges Zitat zu verfallen. Das ist die große Kunst der kleinen Form. Michael Amann, der in Wien lebende Dornbirner und Neffe von Komponisten-Legende Gerold Amann, präsentiert am Schluss sein 4. Streichquartett, das von den Musikern Gabriel Karger und Dominika Witowicz, Violine, Katharina Plankensteiner, Viola, und Sebastian Mendoza, Violoncello, sorgfältig erarbeitet wurde. Amann ist ein Ästhet, dementsprechend sieht er sein Werk auch als Analogie zur derzeit laufenden Ausstellung „Beauty“ im Museum, aber auch zur zerbrechlichen Schönheit unserer strapazierten Natur.
Das mit 25 Jahren älteste Werk des Programms, „Solarplex“ des Niederösterreichers Christian Diendorfer, ist mit seinen ungewohnt radikalen Spieltechniken und seinem hohen Geräuschanteil zugleich das „modernste“. Das 2008 komponierte Stück „Fenster“ des Oberösterreichers Gerald Resch kann mit seinen fein in Töne gesetzten Alltags-Beobachtungen als das originellste Werk des Abends gelten. Herzlicher Beifall. JU