Mephisto im rosa Pelzmantel

Kultur / 19.08.2022 • 18:24 Uhr
Ein Mann mit vielen TalentenCastle Freeman, Carl Hanser Verlag, 175 Seiten

Ein Mann mit vielen Talenten

Castle Freeman, Carl Hanser Verlag, 175 Seiten

„Ein Mann mit vielen Talenten“ ist ein teuflisch amüsanter Roman.

Roman Es müssen nicht immer schillernde Persönlichkeiten sein, die dem Teufel ihre Seele verkaufen: In Castle Freemans neuem Roman „Ein Mann mit vielen Talenten“ ist es vielmehr ein Säufer und Eigenbrötler, sprich ein klassischer Antiheld, der mit dem Abgesandten der Hölle ein Geschäft eingeht. Der alleinstehende Langdon Taft lebt im Hinterland, der Ex-Lehrer, Ex-Hausmann und Ex-Gentleman gönnt sich gerne einen Sir Walter Scott, einen billigen Whiskey. Wenn er schon am Vormittag trinkt, dann aber nur, wenn er am Abend vergessen hat, damit aufzuhören. Und wenn das nicht genug an Tristesse wäre, machen in der elenden Hinterwäldlerkleinstadt auch noch lauter blöde Schläger und Deppen den Bewohnern das Leben schwer.

Dann ist da noch diese eine Frage, die ihm ständig durch den Kopf geistert, ihn quält und auf die er auch gleich eine Antwort hat: Ich brauche eine Story! Als würde sie gehört werden, ruft sie tatsächlich den Leibhaftigen auf den Plan, der stilgerecht im Oldtimer mit offenem Verdeck als eleganter Mann namens Mr. Dangerfield in dem Kaff in Vermont auftaucht. Spöttisch, sarkastisch und verführerisch ist der Mephisto im rosa Pelzmantel im Namen des Teufels unterwegs und macht Taft ein Angebot. Er könne ihm die Story ermöglichen, nach der er sucht. Dafür müsse sich Taft nach einem bestimmten Zeitpunkt dorthin begeben, wo das ewige Feuer brennt. „Fähigkeiten, Mittel, Kräfte“ bietet Dangerfield bis dahin. So wird Landon Taft „ein Mann mit vielen Talenten“, die er jedoch sehr zum Missfallen seines nur für ihn sichtbaren Begleiters mit den „beinahe spitzen behaarten Ohren“ nicht zum Eigennutzen einsetzt. Freemans Bücher sind, bezogen auf die Seitenanzahl, aber keineswegs auf den Inhalt, dünn und in einem Rutsch zu lesen. Der US-Autor schafft es, auf wenigen Seiten schräge, interessante und vielfältige Charaktere, oft mit einem Augenzwinkern leicht überzeichnet, dem Leser vertraut zu machen. Sein Stil ist trocken und nicht ausschweifend. Freeman bringt die Dinge gekonnt auf den Punkt, Lakonie zeichnet sein gesamtes bisheriges Werk aus. So ist „Ein Mann mit vielen Talenten“ ein Roman rund um eine teuflisch unterhaltsame Geschichte über Gut und Böse, mit spitzer Feder geschrieben und einer Moral, die sich zwischen amüsanten Episoden versteckt. Freemans göttliche, nein, teuflische Komödie, um einen ungewöhnlichen Helden, der sich auch vom Dämon nicht aus der Bahn werfen lässt, ist zudem lebensklug und menschlich. Der Hohenemser Autor Michael Köhlmeier bringt es mit folgenden Worten auf den Punkt: „Faust und Mephisto sind angekommen in den Wäldern von Vermont. Castle Freeman ist der Meister der coolen Verzauberung.“ Da kann man nicht widersprechen. CRO