„Wir sind wieder da, kommt vorbei“

Autor Martin G. Wanko schreibt und spricht über die Zustände in und nach der Pandemie.
Bregenz, Graz Er hat nicht nur Stücke verfasst, Bücher geschrieben und solche rezensiert (unter anderem für die Vorarlberger Nachrichten), Martin G. Wanko (geb. 1970, in Graz und Bregenz lebend) hat auch journalistisch gearbeitet. Beispielsweise Schauspielerinnen und Schauspieler interviewt. Man traf sich dabei oftmals im Café Landtmann neben dem Burgtheater. „Die sind dort nicht einfach gesessen, die haben dort genetzwerkt“, erzählt er. Nahezu jede oder jeder hatte ihn gefragt, ob er diese oder jene Produktion gesehen habe, hat sie empfohlen bzw. angeregt, sich nach dem Besuch der Aufführung erneut zu treffen und darüber zu reden. „Die Interaktion zwischen den Künstlern und der Bevölkerung darf nicht aufhören“, erklärt er heute.
„Shortcuts 22“
Gerade jetzt, denn besonders in der Bundeshauptstadt stellen die Veranstalter nun einen Publikumsschwund fest. Dort dauerten die pandemiebedingten Schließungen besonders lange. „Wir sind wieder da, kommt vorbei“, lautet sein Motto. In den letzten Wochen hat Martin G. Wanko nicht nur die Fortsetzung des „Eisenhagel“-Romans mit dem Titel „Die Krah“ herausgebracht, die Uraufführung seines neuen Stücks „Shortcuts 22“ im Grazer Theater im Keller steht bevor. Es inszeniert der renommierte Theaterwissenschaftler Alfred Haidacher. Die letzte Produktion, „Die Vertriebenen“, eine brisante Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsthematik, uraufgeführt im Herbst 2020 unter strengen Abstandsauflagen (die VN berichteten), hatte das Theater Kosmos später nach Bregenz geholt, das neue Werk handelt von der Zeit, in der das Virus das alles beherrschende Thema war. Wanko ist kein Fantast und kein Berater: „Aus dem Rückspiegel heraus kann man leicht gescheit reden, deshalb bin ich vorsichtig mit Wertungen, es sind meine Wahrnehmungen, die ich in die Geschichten eingebaut habe.“ Da geht es beispielsweise um alte Menschen, die sich sehr eingeschränkt gefühlt haben. Dem Autor sind Leute begegnet, die sagten, dass sie ja ohnehin in ein paar Jahren sterben werden, jetzt aber noch etwas vom Leben haben und nicht nur zu Hause sitzen wollen. Abgesehen davon, dass für ihn der Witz dort aufhört, „wo die Menschen mit der Bahre hinausgetragen werden“, zeigt er auch die skurrilen Aspekte eines positiven Befundes oder beim Tragen der Masken.
Der Episodenfilm „Short Cuts“ von Robert Altman nach den Texten von Raymond Carver habe ihn inspiriert, mehr nicht. „Wer heute unter vierzig ist, dem sagt er vermutlich nichts.“ In kleinen Alltagsgeschichten große Themen zu thematisieren, das hat ihn interessiert. Eines betrifft die Tatsache, wie schwer es war, mit der Thematik nüchtern umzugehen. Die Pandemie habe besonders deutlich gezeigt, dass es in Österreich grundsätzlich an Gesprächskultur fehlt.
Wissenschaftsfeindlichkeit
Martin G. Wanko zielt dabei auch auf den ORF, dem es als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen nicht gelungen sei, eine breitere Palette an Argumenten als jene, die die Regierung vertritt, zumindest nüchtern aufzuzeigen bzw. die Wissenschaftsfeindlichkeit der Leute zu analysieren. „Es war schon beängstigend zu sehen, in welchen Blasen die Menschen leben, in welche sich selbst verifizierenden Systeme sie sich zurückgezogen haben, ohne einmal rauszuschauen.“
Was die Zukunft der Theater betrifft, müsse man noch einen längeren Atem haben. Die Subventionsgeber sollten sich darauf einigen, den Blick auf die Auslastungszahlen bei Kulturveranstaltungen noch etwa ein Jahr lang auszusetzen, und die, die etwas anzubieten haben, dabei unterstützen, auf die Leute zuzugehen. Aus ihm spricht sowieso der Pragmatiker: „Wenn eine Lesung angesetzt ist, verlasse ich mich nicht einfach auf den Veranstalter, ich habe kein Problem damit, selbst ein paar Leute anzurufen oder anzusprechen.“ cd
„Es war schon beängstigend zu sehen, in welchen Blasen die Menschen leben.“

„Shortcuts 22“ von Martin G. Wanko ab 12. November im Theater im Keller in Graz.