Bowie in Warschau und schwere Jungs in Texas

Bowie in Warschau
Dorota Maslowska, Rowohlt Berlin, 125 Seiten
Der Popmusiker David Bowie war 1973 geschätzt eine Stunde in Warschau, für Dorota Maslowska reicht das als Romangrundlage.
Roman Bowie, von Moskau kommend, hatte in Warschau rund eine Stunde Aufenthalt, bis ihn der Anschlusszug weiter nach Berlin bringen sollte. In dieser Zeit verließ er das Bahnhofsgelände und deckte sich mit Vinylscheiben polnischer Volksmusik ein. Diese boten ihm die Grundlage zu seinem Song „Warszawa“, auf Deutsch Warschau, ein düsterer Song, den er mit Soundkünstler Brian Eno 1976 in Berlin aufnahm und auf der sehr prägenden Bowie-LP „Low“ 1979 veröffentlichte. So viel zu den Tatsachen.
David Bowies Schatten
„Bowie in Warschau“, heißt auch der neue Roman der polnischen Literatin, mit einem sehr coolen Cover, der im Grunde nur sehr weitgegriffen die Erkennungsmerkmale eines Romans beinhaltet. Im Grunde ist es ein Stücktext, verfeinert mit einigen Prosaseiten – in Polen wurde der Text auch als Theaterstück uraufgeführt. Trotzdem ist er nett zu lesen, sofern man Lust hat, in die Zeit vor der Solidarność einzutauchen. Es geht hier um das Leben urbaner Gestalten, in einer Parallelgesellschaft, neben dem Realsozialismus, mit hübschen Gestalten, wie Regina, aus der nichts wird, trotz „großem Talent“, ihrer Mutter, die so gerne hätte, dass aus Regina etwas würde und dazu die konkurrierende Schwester mit der Tochter, die zumindest einmal auf Au-pair in England war und einem literarischen Zugführer, der einem Frauenwürger auf der Spur ist. Dass dieser nicht zu fangende Frauenwürger durchaus mit der mächtigen Doktrin aus Moskau zu tun hat, soll kein Zufall sein. Maslowska macht aus dem Inhalt ein Lehrstück.
Generation Plattenbau
Es ist ein wunderbarer Spiegel dieser Zeit: Ein im Ostblock nicht zu habender Taschenrechner aus England wird bewundert, mit englischen Filterzigaretten gibt man gerne an, viertklassige Pelzmäntel sind Luxus und bulgarischer Cognac sowie billiger Wodka muss zur Musik aus besseren Zeiten herhalten. Obwohl Bowie außer am Beginn nicht mehr auftaucht, ist er quasi als permanenter Schatten zu Gast, der Mensch aus einer anderen Zeit, der Mann, der vom Himmel fiel, um beim Werk des englischen Ausnahmekünstlers zu bleiben. Neid taucht in der im eigenen Saft schmorenden Gesellschaft auf, gezeigt anhand der Protagonisten. Der unsichtbare Bowie fällt in Missgunst und trägt – stellvertretend für alle anderen – die Schuld an ihrer Misere. Tatsächlich taucht der Künstler in Maslowskas Roman nur noch ein zweites Mal auf, als er im letzten Moment den Zug nach Berlin erwischt, und gerade noch dem Mob davoneilt.
Der Koch im Todestrakt
Hardboiled Literatur hat in den US-Südstaaten eine lange Tradition. Die Autorin Karla Zárate hat sich einen ganz feinen Inhalt zu eigen gemacht! John Guadalupe nimmt den Job als Koch im texanischen Hochsicherheitsgefängnis Polunsky Unit an, welches als einziges texanisches Gefängnis einen Todestrakt beinhaltet. John, hat nun nicht nur die Aufgabe für alle Bediensteten und Häftlinge zu kochen, sondern auch das durchaus delikate Henkersmahl für zu Tode Verurteilte zuzubereiten. Dazu hat er noch einen eitlen Gefängnisdirektor, der jeden Tag kulinarisch verwöhnt werden will. Plötzlich wird er vom gefürchteten Killer Ryan Gomez aufgefordert, den Gefängnisdirektor mit einem Mahl zu vergiften, ansonsten wird er mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Fazit: So spannend das Unterfangen, so oft geht der Autorin der rote Faden verloren. Warum der Roman erst gegen Mitte Spannungsbögen entwickelt, bleibt offen. Dennoch, lässiges Cover und die Leseprobe sollte man zumindest riskieren.

Das letzte Mahl
Karla Zárate, Heyne Hardcore, 239 Seiten