Ein Philosoph und eine Vorarlberger Tenorkarriere

Landestheater Niederbayern/Litvai
Begegnung mit Michael Heim in Richard Wagners Oper „Siegfried“.
Landshut, Thüringen „Siegfried“, das ist für manche jener Teil der „Ring“-Tetralogie mit etwas Witz, für manche die Oper mit besonders langen, herausfordernden Solopartien und für die meisten das Werk mit den deutlichsten Verweisen auf die Nibelungensaga in Richard Wagners politischer Parabel „Der Ring des Nibelungen“. Für den aus Vorarlberg stammenden Tenor Michael Heim markiert das Rollendebüt in der Titelpartie eine Weiterentwicklung. Die Wahl des Ortes ist interessant, das Landestheater Niederbayern produziert für Passau, Landshut und Straubing Theater- und Musiktheaterproduktionen, der jüngst erfolgten „Siegfried“-Premiere wird Ende April die „Götterdämmerung“ folgen. Michael Heim ist auch für das Finale engagiert. Bald darauf folgt für ihn „Carmina Burana“ mit den Münchner Philharmonikern. Zuvor, im März, gibt er einen Liederabend in seiner Heimat.
Sloterdijk war angetan
Schon wenige Tage nach einem dramatischen Zwischenfall wegen einer schlimmen Erkältung hatte das Landshuter Publikum seinen Siegfried bejubelt. Irmgard Boas, seine prominente Lehrerin, behielt recht. Als Heim ihr vor vielen Jahren den Tamino vorsang, konstatierte sie, dass sie einen Heldentenor hört. Ohne den üblichen Weg über Lohengrin oder Florestan landete er beim Siegfried. Für den Tannhäuser gibt es bereits Anfragen, die zwei anderen Partien will er sich demnächst erarbeiten.
Eine Anekdote hat er im Gespräch mit den VN parat. Peter Sloterdijk, zu dessen Geburtstag er gesungen hatte, war von der Stimme so angetan, dass er festhielt, dass Wagner offenbar doch sehr sängerfreundlich komponierte. Michael Heim rechnete dem bekannten Philosophen vor, dass es dieser nicht gar so gut mit seinem Siegfried meinte, gibt es doch schon im ersten Aufzug sehr oft ein hohes A.
Diese Spitzentöne gelingen alle unangestrengt, das Melodienpotenzial der Partie wird zum Erlebnis, ein warmes, gerundetes Timbre erlauben es ihm, den Naturburschen, der er zu sein hat, ungestüm agil und bald darauf ernsthaft nachdenklich zu gestalten. Dass „Siegfried“ Opernliebhaber generieren kann, würde man nicht sofort unterschreiben, in Landshut gelingt es. Regisseur Stefan Tilch führt mit seinen Ausstattern in die Welt der philosophischen Bücher, der Marvel-Comics und des Computerspiels, für das immer wieder eine Drohne über die Waldszene fliegt. Geht das? Störende Bruchlinien gibt es jedenfalls nicht, als Naiven sowie als Sozialrevolutionär, der ein gerechteres System schaffen sollte, hat Wagner seinen Siegfried konzipiert. Mit der über die komplette Raumbreite postierten Niederbayerischen Philharmonie unter Basil Coleman erlebt man im Großen und Ganzen einen qualitätsvollen „Siegfried“. Fafner hat sich seine Riesengestalt sitzend angefressen, ansonsten verlangt die Regie wendiges Ausagieren beim bekannten Erwerb von Schwert, machtverheißendem Ring, beim Drachentöten und dem Aufkeimen der Liebe.
Strahlendes Liebespaar
Von der Lebendigkeit dieses „Siegfried“ geht viel auf Heims Konto, dessen Karriere als Musicaldarsteller begann, bevor er an renommierten Bühnen in Operetten und bald in Opern reüssierte. Es sei, erzählt er, aber ein kaum beschreibbares Gefühl, wenn er die schlafende Brünnhilde findet und dabei in das Gesicht seiner Ehefrau blickt. Die sonnigsten Passagen der gesamten von der „Walküre“ bis zum „Götterdämmerung“-Finale reichende Brünnhilde-Partie und ihre „leuchtende Liebe“ (so das Libretto) lassen die deutsche Sopranistin Peggy Steiner und der österreichische Tenor Michael Heim souverän kraftvoll und innig erstrahlen.
Übrigens: Zahlreiche im Foyer aufliegende Kärtchen, auf denen die Besucher den hohen Wert ihres Theaterbetriebs bekunden, lassen an Vorarlberg denken. Die große Bedeutung der Länderbühnen gilt es offenbar an manchen Orten zu bekräftigen. CD
„Siegfried“ am Landestheater Niederbayern wieder ab 17. Jänner; „Götterdämmerung“ ab 30. April.